Verliebt in meinen griechischen Feind
er sie mit dem zufriedenen Blick eines Jägers betrachtete, der seine Beute ausgemacht hatte. Doch als er sie gleich darauf wieder charmant anlächelte, beschloss sie, sie müsse sich alles nur eingebildet haben. Angesichts seiner besorgten Gastfreundschaft erschienen ihre Zweifel ihr unhöflich und absurd.
Sich selbst überlassen, schlenderte sie den größten Teil des Tages im Dorf herum, das viel höher lag als Agios Georgios. Nikos’ Haus befand sich oberhalb der Pinien- und Zypressenwälder, die sich den Hügel hinunter bis zur Schlucht zogen. Das Flussbett war jetzt ausgetrocknet und steinig und am anderen Ende gesäumt von Kräutergestrüpp, und zwar die gesamte Biegung herum bis nach Agios Georgios. Entschlossen wandte Courtney sich ab. Sie durfte nicht daran denken, wie Lefteris sie beim letzten Mal angeblickt hatte. Sie durfte nicht an seine Stimme, sein Lächeln oder an ihre zitternde Erregung denken, wenn er sie berührte.
Als sie zum Haus zurückkam, waren die Vorbereitungen für das Fest voll in Gang. Lange Tische waren auf der Terrasse aufgestellt worden, und am Spieß brieten zwei Lämmer. Courtney fürchtete sich vor dem Abend, doch es blieb ihr nichts übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich umzuziehen. Das kurzärmelige rosa Kleid stand ihr gut, doch aus dem Spiegel sahen ihr unglücklich blickende graue Augen und ein abgespanntes Gesicht entgegen.
Nikos hatte nicht übertrieben, als er sagte, er habe Leute aus der ganzen Gegend eingeladen. Die Terrasse war voll lachender Menschen, die sich lebhaft unterhielten. Doch Courtney sah keinen Bewohner von Agios Georgios. Sie fragte sich, ob Nikos sie gar nicht eingeladen hatte oder ob sie Lefteris’ Meinung teilten und absichtlich weggeblieben waren.
Ihre Anwesenheit dagegen kam ihr wie Verrat vor, während Nikos, ganz aufmerksamer Gastgeber, sie den Gästen vorstellte. Courtneys Griechisch reichte nicht aus, um seinen Worten zu folgen, doch Lefteris’ Name wurde oft genannt, und sie hatte das ungute Gefühl, zur Schau gestellt zu werden.
Es wurde der unglücklichste Abend ihres Lebens, obwohl die anderen Gäste sich köstlich amüsierten. Es wurde viel gegessen und getrunken, und dann holte jemand eine kretische Leier hervor, ein anderer eine Laute, und schon war die Terrasse voll von springenden, herumwirbelnden Männern, deren Tänze von den anderen Gästen begeistert bejubelt wurden. Es herrschte ein solcher Lärm, dass niemand die Gewehrsalven zu hören schien, die unterhalb der Terrasse losgingen.
“Was war das?”, fragte Courtney und sah sich nervös um.
“Oh, keine Angst”, beruhigte Nikos sie. “Die jungen Männer machen auf diese Art ihrem Übermut Luft. Haben Sie nicht bemerkt, dass in den Bergen jeder Wegweiser mit Einschüssen übersät ist?” Seine Miene änderte sich, als er in der Menge jemanden entdeckte. “Entschuldigen Sie mich”, sagte er und eilte ins Haus.
Allein zwischen den ausgelassenen Gästen, wurde Courtney von Verzweiflung und Einsamkeit überwältigt. Plötzlich war es ihr völlig gleichgültig, ob Lefteris sie ungerechterweise beschuldigt hatte, mit Gianni zu flirten, und auch Sabrina und Inger waren plötzlich bedeutungslos. Sie wünschte nur, er wäre jetzt hier, sehnte sich danach, ihn zu berühren, und zwar mit solcher Macht, dass es ihr den Atem nahm. Warum war sie einfach so davongestürmt? Wenn er doch nur hier wäre! Wenn er sie doch nur lieben könnte.
Sie konnte das Gelächter nicht mehr ertragen und floh auf ihr Zimmer. Ohne das Licht einzuschalten, stand sie mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt und atmete tief durch. Es hatte keinen Zweck mehr, es zu leugnen. Sie liebte Lefteris.
Später wusste sie nicht mehr, wie lange sie dort gestanden und mit den Tränen gekämpft hatte. Schließlich ging sie zum Bett und setzte sich. Warum hatte sie zugelassen, sich in ihn zu verlieben, da sie doch wusste, dass er kein Interesse an ihr hatte? Nun war es zu spät. Sie liebte ihn.
Und sie würde lernen müssen, ohne ihn zu leben. Courtney richtete sich auf. Morgen würde sie damit beginnen. Sie würde nach Knossos und Phaistos und Kato Zakro fahren und soviel wie möglich über die Minoer lernen. Sie würde diese heiße Flamme in ihrem Innern ersticken und sich in die Geschichte stürzen, um den Kreter zu vergessen, der sie dazu gebracht hatte, die Gegenwart mehr zu schätzen als die Vergangenheit.
Doch zuerst musste sie noch für eine Stunde zum Fest zurück. Es war zu früh, um
Weitere Kostenlose Bücher