Verliebt in meinen griechischen Feind
nie. Jeder im Dorf wusste, wo sie war und dass die Markakis sich geweigert hatten, einer der ihren zu helfen.”
Courtney konnte sich kaum vorstellen, dass Lefteris so rachsüchtig sein sollte, andererseits wusste sie, wie sehr er englische Mädchen verachtete. Auch sie selbst hatte er deshalb falsch beurteilt. War es bei Linda ebenso gewesen?
Schweigend hing sie ihren Gedanken nach, bis sie plötzlich bemerkte, dass Nikos von der Straße nach Chania abgebogen war und in Richtung seines Dorfes fuhr. Unbehaglich fragte sie: “Wohin fahren wir?”
“Nach Chania ist es noch sehr weit”, erklärte Nikos. “Sie sehen zu müde aus, um dort heute Nacht noch nach einer Unterkunft zu suchen. Wäre es nicht besser, Sie würden mit zu uns kommen? Meine Mutter lebt bei mir, also können Sie ganz unbesorgt sein! Bestimmt möchten Sie heute Nacht erst einmal ruhig schlafen.”
Es klang alles sehr vernünftig, doch Courtney wünschte, sie hätte sich nicht von ihm mitnehmen lassen. Andererseits konnte sie Nikos schlecht drängen, umzukehren und sie sofort nach Chania zu fahren. Und was machte es schon? Sie war müde und unglücklich, und es war ihr egal, wo sie schlief. Hauptsache, sie hatte ein Bett und konnte allein sein. Es hatte keinen Zweck, darüber nachzugrübeln, was geschehen wäre, wenn Lefteris ihr gefolgt und sie nach Hause geholt hätte. Er hatte es nicht getan, und alles andere war ihr gleichgültig.
Am nächsten Morgen erwachte Courtney mit einem Gefühl unbestimmter Hoffnungslosigkeit. Dann erinnerte sie sich: Dies war Nikos’ Haus. Sie hatte Lefteris im Zorn verlassen und würde ihn nie wieder sehen. Inzwischen war all ihre Wut verraucht, und sie fühlte sich nur noch benommen und erschöpft.
Die Dunkelheit im Zimmer war bedrückend. Als Courtney die Fensterläden aufstieß, wurde ihr klar, dass Nikos’ Haus nach Westen hin lag und erst nachmittags Sonne bekommen würde. Sehnsüchtig blickte sie nach Agios Georgios hinunter, das auf der anderen Seite des Tals im Sonnenschein lag. Hier oben fühlte sie sich gefangen, abgeschnitten von der Glückseligkeit, die sie in den letzten Wochen kennengelernt hatte. Obwohl sie Lefteris oft verabscheut hatte, war ihr Leben durch seine Gegenwart doch bunt und interessant gewesen. Sie betrachtete die Olivenhaine, und obwohl sie das Haus nicht sehen konnte, wusste sie doch, dass es da war. Die Sonne würde durch die Weinranken auf die Terrasse scheinen, und Lefteris würde da sein, mit seinem grimmigen, stolzen Gesicht. Ob er sie wohl vermisste? Ob er sich fragte, wo sie war?
Warum war sie gegangen?
Unglücklich sagte Courtney sich, dass sie ohnehin hätte gehen müssen. Er wollte sie nicht um sich haben, denn sie war ja eine verachtungswürdige Engländerin. Wahrscheinlich telefonierte er jetzt schon mit Inger und bat sie, zurückzukommen, damit sie endlich allein sein konnten … Sie musste das Tal so schnell wie möglich verlassen, dann würde alles leichter sein. Seufzend zog sie sich an und machte sich auf die Suche nach Nikos.
Doch als sie ihn nach den Abfahrtszeiten der Busse fragte, hob er abwehrend die Hände. “Sie wollen doch nicht heute schon abreisen? Eine Nacht müssen Sie mindestens noch bleiben! Ich möchte nicht, dass Sie glauben, alle Kreter behandeln Fremde so schlecht wie Lefteris.” Nikos deutete auf die Plastikstühle, die aufeinandergestapelt auf der Terrasse standen. “Heute Abend gebe ich Ihnen zu Ehren ein Fest, ein ‘glendi’, und ich habe alle aus der ganzen Gegend eingeladen, um Ihnen die kretische Gastfreundschaft zu zeigen.”
Courtney fühlte sich plötzlich mutlos. “Das ist sehr nett von Ihnen, aber …”
“Kein aber! Sie sind mein Gast, und ich bestehe darauf!” Obwohl er freundlich klang, lag ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen, und Courtney hatte das Gefühl, es sei nicht ratsam, sich seinem Wunsch zu widersetzen. Weshalb auch? Nikos wollte ihr etwas Gutes tun, und sie durfte nicht undankbar sein. Warum nur hatte sie dann dieses unbehagliche Gefühl?
Der Tag verging sehr langsam. Nikos’ Mutter, eine kleine farblose Frau, die Angst vor ihrem Sohn zu haben schien, lehnte nervös lächelnd ab, als Courtney ihr in der Küche zu helfen anbot. So blieb ihr nichts zu tun, als unglücklich darüber nachzugrübeln, dass sie sich nie von Nikos hätte mitnehmen lassen sollen. Er war charmant und aufmerksam, doch aus irgendeinem Grund fühlte sie sich in seiner Gegenwart immer unbehaglicher. Einige Male ertappte sie ihn, wie
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