Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
Lausbubenlächeln. Die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln, die Grübchen neben dem Mund. Sie spürte den sanften Druck seiner Hand in ihrem Rücken und roch immer noch den erfrischenden Duft, der von ihm ausgegangen war.
»Du als du und ich als ich«, flüsterte Ralph Fiennes leise in ihrem Kopf. Ganz sie selbst war sie nicht gewesen an diesem Abend. Doch dafür würde später immer noch Zeit sein. Bei Marisa und Christopher hatte es schließlich auch geklappt.
Emma sah Jo an und hörte sich vorsichtig beichten: »Es gibt etwas, das Sie nicht wissen. O Gott, wie soll ich Ihnen das nur sagen? Als Sie mich das erste Mal gesehen haben …«
»Da hast du mich verzaubert«, antwortete der Regisseur filmgemäß und verhinderte jeden weiteren Einwand mit einem langen, zärtlichen Kuss.
Dass sie sich dabei nicht in New York befanden wie in Manhattan Love Story , sondern im Englischen Garten standen, tat nichts zur Sache. Sie stritten sich wie im Film, versöhnten sich hochoffiziell mit Pressekonferenz und allem Pipapo, genau wie Jennifer Lopez und Ralph Fiennes. Emma sah auch die Titelblätter bekannter deutscher Zeitschriften auf sich zufliegen, mit Fotos und Schlagzeilen wie »Der Regisseur und die Schneiderin – die Liebesgeschichte des Jahres« oder »Von der Näherin zur Braut des berühmten Serien-Regisseurs«.
Sie stand im Princesse-Kleid neben Jo vor dem Traualtar, als jemand von den Anwesenden anklagend nach vorne rief: »Ich glaube, der Bräutigam liebt eine andere!«
Mit einem leisen Aufschrei schreckte Emma aus dem Traum hoch und fand sich im roséfarbenen Abendkleid mit Schmuck und Sandaletten auf dem Bett wieder. Erleichtert ließ sie sich in die Kissen zurücksinken und wartete, bis sich das rasende Herzklopfen etwas beruhigt hatte. Dann zog sie sich schnell um, schminkte sich ab, kuschelte sich unter ihre Decke und war kurz darauf wieder eingeschlafen.
Gegen Mittag erwachte sie ausgeruht und ohne sich an weitere Träume erinnern zu können. Bevor sie sich einen Kaffee zubereitete, hängte sie Marisas Kleid, das sie seit Tagen immer im Blick gehabt hatte, zurück in den Kleiderschrank. Nun war es an der Zeit, einen würdigen Nachfolger auf der Schneiderbüste zu küren. Schließlich hatte sie ihr erträumtes Ziel noch längst nicht erreicht. Da konnte es nicht schaden, mit dem, was bei der Premiere nicht allzu schlecht geklappt hatte, weiterzumachen. Für Vivians bodenlange Robe beim Opernbesuch war es vielleicht ein bisschen früh, doch ihr schwarzes Cocktailkleid aus Spitze schien genau das Richtige zu sein für diese Phase des Kennenlernens, es durfte den dunklen Schrank verlassen.
Als Hannah um drei Uhr anrief, um mitzuteilen, dass die Freundinnen das verschobene Mädelstreffen für diesen Samstagabend angedacht hatten, war sie bereits wieder so unternehmungslustig, dass sie sofort zusagte. Nur selten in ihrem Leben hatte sie sich wohler gefühlt in ihrer Haut. Sie war verliebt in einen tollen Mann, der ebenfalls interessiert schien. Sie hatte Menschen um sich, die gerne mit ihr den Abend verbringen wollten. Eine Familie, mit der sie sich außerordentlich gut verstand. Fehlte nur noch die berufliche Erfüllung, ein Modestudium, eigenständiges Arbeiten, kreative Selbstverwirklichung. Aber das konnte auch gut noch etwas warten. Alles zu seiner Zeit.
Wenn Kirsten, Yvonne, Hannah und Emma sich trafen, gab es meistens enorm viel zu besprechen. Da unbedingt immer alle vier dabei sein sollten – das hatte Tradition seit ihrer gemeinsamen Schulzeit –, schafften sie es im Höchstfall einmal im Monat, einen passenden Termin zu finden. Dafür wurde es dann regelmäßig ein langer Abend, weil sämtliche wichtigen Themen ausgiebig erörtert werden mussten.
Zu viert leerten sie mehrere Flaschen Wein und tauschten private und berufliche Erlebnisse aus, die kommentiert und bewertet wurden. Das war in manchen Situationen tatsächlich recht hilfreich, doch ab und zu verunsicherte es Emma auch. Deshalb nahm sie sich auf dem Weg zu Kirstens Wohnung fest vor, von ihren Begegnungen mit Jo Fürstberg lieber noch nichts zu erzählen. Denn eigentlich wusste sie schon vorher ziemlich genau, welche Ratschläge die Freundinnen parat haben würden.
Kindergärtnerin Hannah, die als Einzige bereits Familie hatte, wäre mit Sicherheit gegen eine Beziehung mit dem Regisseur. Sie war in der Runde die Verfechterin des Prinzips »Gleich und gleich gesellt sich gern«. Dementsprechend hatte sie sich einen Sozialpädagogen
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