Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
starrte sie David unverwandt in die Augen und wartete sehnsüchtig auf sein Kommando. Der wertvolle Löffel in ihrer Hand zitterte, und sie fühlte schon wieder Schweißperlen auf der Stirn. Mit Fug und Recht konnte man sagen, dass sie sich in einem Zustand äußerster Erregung befand. Daran waren aber weder der unheimlich verführerische David noch der unglaublich leckere Ananasjoghurt schuld, sondern ausschließlich die peinliche Zwangslage, in der sie steckte. Emma war sogar aufgeregter als vor ihrer Gesellenprüfung. Und da war sie eigentlich schon ein völliges Nervenbündel gewesen.
»Und – bitte«, kommandierte der Regisseur, und Emmas Blick verließ wie in Trance Davids Gesicht und richtete sich auf die Kamera, die jetzt wie ein tiefes schwarzes Loch vor ihr zu klaffen schien. Ein gefährlicher Sog schien davon auszugehen.
Mit letzter Kraft knipste Emma ihr Lächeln wieder an, nahm den Löffel in den Mund … Genießen, genießen, genießen und … schlucken: »Yogilight« … Pause … »Der Joghurt, der anturnt«. Erst mit dem erlösenden »Danke« fand sie wieder in die Realität zurück. Doch die war auch nicht weniger bedrohlich. Bang wartete sie auf Davids Urteil.
»Das war’s. So lassen wir’s«, meinte der nach einer kurzen Absprache mit dem Kameramann, und Emma wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen.
Doch dann hörte sie, wie er leise zu seinem Assistenten sagte: »Das wird auch beim hundertsten Mal nicht besser«, und war froh, es nicht getan zu haben. Nichts wie weg hier, war der einzige Impuls, der sich nach dieser Tortur noch in ihr regte.
Gegen achtzehn Uhr schloss sie endlich die Tür ihrer Wohnung auf. Erst jetzt war sie in der Lage, in Ruhe über den vergangenen Tag nachzudenken. Natürlich hatte sie sich das wohl alles etwas zu leicht vorgestellt. Doch sie mochte einfach nicht glauben, dass dieser Club der Namenlosen und Unfreundlichen typisch sein sollte für die gesamte Filmbranche. Die Crew war doch selbst schuld gewesen, dass nichts geklappt hatte! In einer so ungemütlichen, ja, fast unmenschlichen Atmosphäre konnte ja keiner zur Höchstform auflaufen. Außer Kevin vielleicht. Aber der war schließlich selbst nicht gerade mit Einfühlungsvermögen gesegnet.
Trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass der Dreh und alles, was damit zusammenhing, ihre gute Laune der vergangenen Tage komplett zunichtegemacht hatte. Jetzt konnte nur noch ein Gespräch mit Marie die Rettung bringen. Doch die Freundin nahm auch nach endlosem Klingeln nicht ab. Vielleicht lag sie gerade in den Armen von Lutz und konnte nicht ans Handy gehen.
Einen Moment lang wurde Emma ein bisschen neidisch. Da half nur noch der Griff zu DVD und Fernbedienung.
»Wenn man so weit abgerutscht ist, gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten«, erklärte Vivian alias Julia Roberts kurz darauf, und Emma hatte das Gefühl, dass sie selbst gemeint war. Nach einem solchen Drehtag hatte man als Schauspielerin wirklich keine große Auswahl mehr. Auch dann nicht, wenn man eigentlich Schneiderin war.
»Ich kenne das Problem, mehr zu wollen. Man kann fast sagen, ich hab’s erfunden«, meinte Edward alias Richard Gere einige Szenen später, »es ist nur die Frage, wie viel mehr.« Und damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.
Danach verteidigte Marisas Sohn Ty seine Mutter auf der finalen Pressekonferenz in Manhattan Love Story : »Denken Sie, sie sollte noch eine Chance kriegen? Ich meine, kein Mensch ist vollkommen – richtig?«
Warum war heute niemand für Emma in die Bresche gesprungen? Wieso waren bei diesem unsäglichen Werbedreh nur Menschen gewesen, die sich offensichtlich für unfehlbar hielten und das auch von anderen erwarteten? Konnte man so von sich überzeugt sein, dass man seiner Umgebung nicht einmal den kleinsten Fehler zugestand? Dabei war doch kein Mensch vollkommen, oder?
Als krönenden Abschluss legte sie schließlich auch noch Notting Hill ein. Und selten hatte sie so sehr mit William gelitten, für den seine Anna ähnlich unerreichbar zu sein schien wie Jo für Emma.
»Ich nehme an, dass ich in diesem Traum, in dieser Wunschvorstellung, dann eine neue Persönlichkeit annehme, denn das geht in Träumen«, orakelte der junge Held vor sich hin. Warum war das denn nur in der Realität so schwer? Wieso konnte Emma nicht auch in der Wirklichkeit eine etwas andere Identität annehmen? Und zwar so, dass sie auch funktionierte …
»The smile on your face lets me know that you need me«, trällerte
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