Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
konsequente Schieflage der Ereignisse, durch die ein negatives Erlebnis automatisch viele andere nach sich zog? Oder war das ein Teufelskreis, aus dem man nicht mehr herausfand? Der Teufelskreis der verpassten Chancen? Bei der Beziehung zu Jo trat sie nun auch schon seit einiger Zeit auf der Stelle, obwohl sie sich bereits seit fast sechs Wochen kannten. Wenn man von Emmas erstem Besuch im Filmstudio an rechnete, sogar noch viel länger.
Missmutig lief Emma in ihrer Wohnung von Zimmer zu Zimmer und konnte sich für nichts begeistern. Im Schlafzimmer fuhr sie mit der Hand über die Nähmaschine und wünschte sich für einen kurzen Moment die Zeit zurück, in der sie hier mit Begeisterung die unterschiedlichsten Filmkostüme nachgeschneidert hatte. Ihr Blick fiel auf die nackte Schneiderbüste, auf der diesmal keines der Kleider einer Premiere in der Öffentlichkeit harrte. Selbst das hatte sie in der letzten Zeit vor lauter Casting, Fitting und Dreh ganz vergessen.
Entschlossen ging sie zum Kleiderschrank und öffnete ihn. Zwar wusste sie noch nicht, bei welcher Gelegenheit sie das nächste Mal ein außergewöhnliches Outfit benötigen würde, doch es konnte sicher nicht schaden, sich wieder ein Ziel zu setzen. Damit machte sie sich zumindest bewusst, dass sie durchaus auch einige Fähigkeiten besaß, die sich sehen lassen konnten. Manchmal musste man sich eben mit Nachdruck wieder daran erinnern.
Emma nahm die knallrote, schulterfreie Abendrobe aus der Pretty-Woman -Opernszene zur Hand und hielt sie sich vor den Körper. Na ja, das war vielleicht etwas hoch gegriffen. Sie konnte wohl kaum damit rechnen, dass sie in absehbarer Zeit zu einem Anlass gebeten würde, zu dem dieses unglaublich elegante Kleid passte. Als Nächstes holte sie das orangefarbene von Charlotte Coleman alias Scarlett in Vier Hochzeiten und ein Todesfall aus dem Schrank. Selbst das hatte sie noch nie getragen, obwohl es von allen Gewändern eindeutig das schlichteste war.
Das Sommerkleid, dessen melierter Chiffonstoff an Dekolleté und Rock in weichen Wellen fiel, war farblich schon etwas knallig. Das Orange kontrastierte sehr stark mit der violetten Schärpe, die gürtelähnlich über der Taille gebunden wurde. Der pinkfarbene Tüll, der leicht unter dem Rocksaum hervorblitzte, vervollständigte den sommerlich bunten Eindruck, den dieses Kleid vermittelte. Nun, die warme Jahreszeit stand schließlich unmittelbar vor der Tür, und Emma hatte gerade das ganz starke Bedürfnis, ihrer negativen Stimmung konsequent entgegenzuwirken. Sie zog also das farbenfrohe Gewand über die Schneiderbüste und zupfte den Wasserfallkragen und die Rockfalten zurecht.
Dann betrachtete sie es in Ruhe. Na gut, das Licht war in der Abenddämmerung nicht gerade ideal, doch Schnitt und Form konnte sie trotzdem beurteilen. Außerdem kannte sie das Kleid, nachdem sie es stundenlang gezeichnet, zurechtgeschnitten und zusammengenäht hatte, nahezu in- und auswendig. Sie legte den Kopf schief und überlegte. Hatte sie wirklich alle Details richtig wiedergegeben? Irgendwas an dem Kragen schien nicht so ganz zu stimmen. Zur Kontrolle legte sie Vier Hochzeiten und ein Todesfall in den DVD -Player und spulte bis zum ersten Auftritt des Kostüms. Alles richtig. Aufs i-Tüpfelchen genau. Irgendwie komisch.
Sie ging zur Büste zurück und zog und zupfte den Wasserfallkragen mal hin und mal her. Wäre das Kleid nicht auch ganz interessant mit einem großen runden Ausschnitt, der das Dekolleté deutlich besser zur Geltung brächte? Und könnte sich dann nicht auch die Figur am Oberkörper schöner abzeichnen? Ach herrje. Wie konnte sie sich nur erdreisten, an der Idee einer sicher namhaften Kostümbildnerin herumzumäkeln und zu verbessern? Andererseits: Was für Charlotte Coleman und ihre Rolle der beste Schnitt war, war es für Emma Jacobi vielleicht nicht unbedingt. Wer hinderte sie eigentlich daran, das vorhandene Kleid nach ihren eigenen Vorstellungen und Ideen zu verändern?
Voll Tatendrang holte Emma ihren Steckigel aus dem Nähtischchen und begann sofort mit dem Abstecken. Im Eifer des Gefechtes bemerkte sie überhaupt nicht, wie die Zeit verging. Hier noch ein Stückchen weggenommen und dort ein bisschen straff gezogen. Mehrmals nahm sie die Nadeln wieder aus dem Stoff und steckte sie an einer anderen Stelle hinein. Am Ende trat sie zwei Schritte zurück und betrachtete zufrieden ihr Werk. Es war schon erstaunlich, wie man mit ziemlich einfachen Mitteln einen völlig
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