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Verliebt, verlobt und eingesargt

Verliebt, verlobt und eingesargt

Titel: Verliebt, verlobt und eingesargt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zu kommen?« fragte Kissner.
    »So ist es.«
    Er ging kopfschüttelnd hinter ihr her und wunderte sich, daß Susy einen Schlüssel besaß, mit dem sie das Tor aufschließen konnte. Auf dem Metall lag die graue Eisschicht. Wer die Stäbe ohne Handschuhe anfaßte, lief Gefahr, daß seine Finger am Metall kleben blieben, so kalt war es.
    »Mir scheint, du kennst dich aus.«
    Susy nickte. »Ich besuche meine Mutter sehr oft. Sie ist die einzige Person, an der ich je gehangen habe.«
    »Und wie ist es mit mir?«
    »Du jetzt auch.«
    »Dann bin ich beruhigt.«
    »Schieb das Tor wieder zu, bitte.«
    »Wie du willst.«
    Susy war schon vorgegangen. Sie hatte ihre Hände in die Manteltaschen geschoben. Der Stoff des Kleidungsstücks war nicht besonders dick, und Kissner wunderte sich, daß Susy vor Kälte nicht mit den Zähnen klapperte. Er selbst war wesentlich dicker angezogen und fror. »Müssen wir sehr weit laufen?«
    »Es geht.«
    »Dann mal los, schließlich mußt du noch ein Versprechen einlösen, das du mir gegeben hast.«
    Sie drehte sich ihm lächelnd zu. »Ich habe es nicht vergessen, mein Lieber. Diese Nacht wird dir bis in alle Ewigkeiten in Erinnerung bleiben.«
    Er holte sie mit zwei schnellen Schritten ein. »Seit wann bist du so prosaisch?«
    »Ich wollte dir nur sagen, daß es stimmt.«
    »Meinetwegen. Was tut man nicht alles für seine Verlobte?« Die Frage sollte locker klingen, das schaffte er nicht so ganz. Sein ungutes Gefühl brach durch.
    Nicht daß Kissner unbedingt Angst gehabt hätte, aber ein nächtlicher Friedhof war nun nicht nach seinem Geschmack. Gruselfilme hatte er nie besonders gemocht. Als Kind waren sie des öfteren über den Südwestfriedhof gelaufen und hatten dort ihre Spaße getrieben. Aber das hier war was anderes.
    Das gewaltige Areal des Hauptfriedhofs lag unter der bissigen Kälteglocke. Da auch kein Wind wehte, bewegte sich auf dem Friedhof nichts. Die Stille war bedrückend. Nur hin und wieder hörten sie knackende Geräusche. Immer dann, wenn irgendwo ein Ast oder Zweig unter der Kälte einfach auseinanderbrach.
    Auf den Beeten lag Schnee. Eine helle Schicht, aus der die dunklen Sträucher und Bäume wie klauenartige Filigrane in die Höhe wuchsen und Wälle bildeten.
    Manchmal sahen sie auch einen mit einer Eisschicht überzogenen Grabstein. Er schimmerte so, als wäre er vom Mond angestrahlt worden. Aber der Mond schien nicht. Zwar wirkte der Himmel wie leergefegt, der Erdtrabant war nur als eine schmale Sichel zu sehen, während das Heer der Sterne sich wie gelbe Tupfen und Punkte dort verteilte. Vor ihren Lippen dampfte der Atem. Es war so kalt, daß der Mann das Gefühl hatte, die Nase würde ihm zufrieren. Geduckt ging er weiter und blieb dicht hinter seiner Verlobten, die zielstrebig über den Hauptweg schritt und tiefer in das Gelände eindrang.
    Walter sah die ersten Gräberfelder. Groß, weiträumig. Sie gehörten bereits zum neuen Teil des Friedhofs, der nicht mehr den Baumbewuchs besaß wie der alte.
    Aber dorthin führte ihr Weg. Vorbei an Kreuzungen mit Wassertrögen und leeren Ruhebänken, immer tiefer hinein in die schweigende Einsamkeit des gewaltigen Totenackers.
    Familiengruften wechselten sich mit Doppel-oder Einzelgräbern ab. Manche waren ziemlich groß, andere wiederum schmal, aber jedes Grab besaß einen Stein.
    Wie zwei Schatten bewegten sie sich durch die Finsternis. Unter ihren Sohlen knirschte manchmal gefrorener Schnee. Vereiste Blätter oder Zweige brachen unter ihren Schneelasten ab.
    Die Kälte drang auch durch Kissners Kleidung. Für diese extremen Temperaturen war sie nicht geschaffen. Er hoffte, es bald hinter sich zu haben. In der Tat drehte sich seine Verlobte um, bevor sie in einen schmalen Seitenweg schritt.
    »Wir haben es bald hinter uns.«
    »Hoffentlich.«
    »Sei doch nicht so ungeduldig.«
    »Denkst du, es macht mir Spaß, bei dieser Kälte durch die Nacht zu laufen.«
    »Keine Sorge, ich erlöse dich davon.«
    Er kam sich vor wie in einem Tunnel, so finster war es. Wie Ungeheuer wuchsen die Bäume zu beiden Seiten in die Höhe. Sie streckten ihre starren Arme aus, als wollten sie nach den beiden einsam daherschreitenden Menschen greifen.
    Die Gräber und Grüften lagen versetzt. Hinter manchen Grabsteinen standen Hecken wie schützende Wälle. Alles war dunkel, düster. Kein Lichtreflex fiel in diese schweigende Welt. Wenn sie mal das dünne Geräusch eines fahrenden Autos hörten, so drang dieser Laut nur sehr schwach an ihre

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