Verliebt, verlobt und eingesargt
kleine Hölle!
Angst, Furcht und ein schlechtes Gewissen hatten ihn gepeinigt, als er den Weg zum Treffpunkt gegangen war. Er konnte mit dem Bild nicht fertig werden. Immer wieder sah er den Toten in seinem Zimmer liegen. Kruse war auf furchtbare Art und Weise umgebracht worden. Diese Mordmethode hatte sich nur ein vom Teufel dirigiertes Gehirn ausdenken können. Und das mußte einfach bei dieser Frau der Fall sein. Die schöne Susy war in Wirklichkeit ein mordendes Monster!
Sid rauchte. Er hielt die Zigarette in der hohlen Hand. Eine alte Soldatenangewohnheit, damit ihn jemand, der ihn unter Umständen beobachtete, wegen der Glut nicht vorzeitig sah.
Wie ein Dieb hatte er sich vom Gelände der Kaserne geschlichen. Unter dem Eindruck des Kainsmals hatte er das Gefühl gehabt, man müßte ihm ansehen, was er verbarg. Aber niemand, dem er trotz der Vorsicht begegnet war, hatte ihn auf irgend etwas angesprochen. Er hatte auch keine Polizeisirenen gehört, keine Lautsprecherdurchsagen und war jetzt allmählich zu der Überzeugung gelangt, daß der Mord an Kruse noch nicht entdeckt worden war.
Um diese Zeit kam niemand mehr zum Friedhof. Wer sich noch in der Nähe des Eingangs herumtrieb, war ein Angestellter. Er hatte das Tor verschlossen und war dabei von Sid Ferry aus sicherer Deckung beobachtet worden.
Ferry schaute auf seine Uhr.
Noch eine Minute, dann mußte Sinclair erscheinen. Der Engländer schaute den Weg hoch, der zur Bundesstraße führte, weil er sehen wollte, ob dort ein Wagen abbog. Das geschah zwar, aber das Fahrzeug rollte an ihm vorbei.
In der rechten Hand hielt Sid Ferry die Plastiktüte. Obwohl er Handschuhe trug, bekam er klamme Finger. Es gab kaum etwas, durch das die Kälte nicht drang. Er wechselte manchmal die Tragehand und bewegte jeweils die freien Finger.
Die Axt kam ihm schwer vor. Er hatte versprochen, die Frau zu töten. Das war in einem Anfall von Wut geschehen, jetzt, wo er innerlich zur Ruhe gekommen war, dachte er anders darüber. Er würde es wohl nicht fertigbringen, einen Menschen mit der Axt zu töten, auch wenn der andere ein Mörder war.
Schon fünf Minuten über die Zeit!
Allmählich machte sich Sid Ferry Sorgen. John Sinclair gehörte nicht zu den Typen, die sich ohne Grund verspäteten. Ferry konnte sich gut vorstellen, daß ihm etwas dazwischengekommen war. Er hatte den englischen Polizisten vor Susy gewarnt. Es war mehr eine dahingesagte Rede gewesen, nun aber dachte er anders darüber. Möglicherweise war Sinclair dieser Frau über den Weg gelaufen und hatte sich von ihr umgarnen lassen. Das wäre fatal gewesen.
Die Unruhe steigerte sich. Ferry schaute auf die gegenüberliegende Kneipe. Sie war ebenso geschlossen wie der Blumenladen. Abends trank in dem Lokal niemand sein Bier. Der Friedhof lag in seinem Rücken. Ein dunkles, vor Kälte erstarrtes, leicht unheimliches Gelände, auf dem die Toten im ewigen Schweigen lagen und zahlreiche Grabsteine die Lebenden mahnten.
Vereinzelt leuchteten auch Laternen. In dem Nebel wirkte ihr Licht matt. Inzwischen schmerzten auch die Ohren. Selbst die Nase tat weh. Ferry band den Schal so, daß er auch die Ohren bedeckte und sie einigermaßen schützte.
Eine Viertelstunde verging.
Sinclair war noch immer nicht da.
Sid Ferry dachte nach, was er unternehmen sollte. Er konnte hier weiter warten oder den Friedhof schon betreten. Auch über ihn erreichte man das Gelände der stillgelegten Zeche, wo die beiden Särge standen und möglicherweise auch das Versteck der Susy Parker war. Ferry hörte Schritte und tauchte schnell in die Dunkelheit. Der Friedhofswärter verließ ein Haus, hustete einige Male und schritt zu einem abgestellten und völlig vereisten Wagen. Der Mann kratzte das Eis weg. Ferry hörte ihn schimpfen. Viel zu früh stieg der Mann ein und fuhr weg. Jetzt war niemand mehr da, der Sid beobachtete. Ferry entschloß sich, den Friedhof zu betreten. Es war einfach. Er brauchte nur mehr über den Zaun zu klettern. Auf der anderen Seite sprang er zu Boden, blieb für einen Moment in der Hocke, schaute sich um, aber es hatte ihn niemand gesehen.
Das war gut.
Er nahm die Axt aus der Plastiktüte. Als er sie in der rechten Hand hielt und auf die blanke Klinge schaute, die wie blaues Eis glänzte, durchzuckte ihn ein Gefühl des Widerwillens. Am liebsten hätte er die Axt fortgeschleudert. Aber sie war nun mal die einzige Waffe, die er besaß. Um sich Bewegung zu verschaffen, lief er über den Innenplatz vor einer der
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