Verliebt verlobt verhaftet - Roman
dachten, die Regeln gelten nicht für sie. Ich dagegen versuche, nur so viel über meine Mandanten zu erfahren, wie ich wissen muss, um ihre Steuererklärung ausfüllen zu können. Ich halte mich an das Motto ›Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‹. Dieses Prinzip hat sich im Lauf der Jahre als ganz hervorragend erwiesen, und genau daran müssen Sie sich auch halten, wenn Sie Erfolg im Leben haben wollen.«
Savannah lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und entfernte die Plastikfolie von ihrem Sandwich. »Ich kann mich aber nicht so blind stellen«, erklärte sie. Allein bei der Vorstellung, fragwürdige Steuerrückzahlungen zu fordern und unzulässige Abzüge durchgehen zu lassen, wurde ihr flau im Magen.
Sie nahm einen Bissen von ihrem Sandwich, der sich jedoch wie Pappe in ihrem Mund anfühlte, deshalb spuckte sie ihn in ihre Serviette.
Ashleigh sah ihr mit ernster Miene zu. »Ich dachte mir schon, dass Sie das sagen«, meinte sie, legte den Kopf schief und betrachtete Savannah wie einen an seinen hauchzarten Flügeln unter einer Glasscheibe aufgespießten Schmetterling.
Savannah blickte auf ihre Bluse, um sicherzugehen, dass nicht ein Klecks Mayonnaise auf ihrer Brust prangte. »Was ist?«, fragte sie, als Ashleigh sie immer noch anstarrte.
Schließlich schüttelte Ashleigh den Kopf und schenkte Savannah ein seltsames angedeutetes Lächeln. »Nichts.« Sie hielt einen Moment inne, ehe sie fröhlich den Gesprächsfaden wiederaufnahm, als hätten die vergangenen Minuten nicht stattgefunden. »Hey, ich habe eine tolle Idee. Morgen Abend steigt meine Junggesellinnenparty. Ich fliege mit ein paar Freundinnen runter nach Key West. Wir übernachten im Haus meines Verlobten in der Southard Street. Von dort aus kann man zu Fuß zu all den Bars gehen. Es wird bestimmt klasse. Haben Sie Lust mitzukommen?«
Nun starrte Savannah sie an. Ob Sie Lust hatte? Das war genau eines dieser Dinge, die Vanna passierten - eine spontane Einladung zu irgendeiner Party am Wochenende, ein Flug an irgendeinen tollen Ort, wo sie in der Villa irgendwelcher glamouröser Einheimischer wohnte und mit reichen und interessanten Freunden von einer Bar zur nächsten zog.
Es gab nur ein Problem: Arbeit. Savannah hatte am nächsten Morgen um neun einen Termin, abgesehen davon, dass ihr Name an diesem Abend ganz oben auf der Bereitschaftsliste stehen würde. Und da es nur noch drei Wochen bis zum
15. April waren, ertrank sie schon jetzt in der Flut der Anträge, die dringend ausgefüllt werden mussten.
Oh, und dann war da das zweite Problem: Geld. Woher sollte sie den Betrag für den Last-Minute-Flug nach Key West nehmen? Am Montag bekam sie ihr erstes Gehalt, das sie jedoch brauchen würde, um Lebensmittel und die Miete zu bezahlen. Und gerade eben war ihr letztes Geld in ihre neue Unterwäsche geflossen. Unterwäsche, die außer ihr nie jemand zu Gesicht bekäme, wenn sich nicht bald etwas änderte, dachte Savannah düster.
»Ich kann nicht«, antwortete sie und ließ enttäuscht die Schultern hängen. War das nicht typisch? Endlich hatte sie die Chance, die Frau zu sein, die sie sein wollte, doch ihr dämliches praktisches Naturell hinderte sie daran. O Gott, es war kein Wunder, dass Todd nicht um sie gekämpft hatte - sie war so langweilig, dass sie sich sogar selbst hasste.
»Wieso denn nicht?«, fragte Ashleigh und nippte an ihrem koffeinreduzierten Milchkaffee ohne Schaum.
Ja, wieso eigentlich nicht? Savannah sah zu dem Tisch hinüber, wo eine junge Frau allein vor einem aufgeschlagenen Modemagazin saß, dessen Seiten in der sanften Brise raschelten. Es war die aktuelle Ausgabe der Glamour - die, die sie Christina neulich mitgegeben hatte. Beim Gedanken an ihren Plan, mithilfe von Psychotests ihr Leben zu ändern, verzog sie das Gesicht. Das Problem war, dass sie oberflächlich betrachtet alles Notwendige tat - sie kaufte sich einen neuen Wagen, trug neue Klamotten, zog an einen sonnigen Ort - doch in ihrem Inneren war sie immer noch die alte Savannah. In Wahrheit musste sie jenen Teil ihrer Persönlichkeit abstreifen, der stets vernünftige Entscheidungen traf, sich stets an die Regeln hielt und stets besorgt darüber war, das
Richtige zu tun und keinesfalls die Gefühle anderer zu verletzen.
Okay, Schluss damit!
Endlich - endlich!!! - hatte sie es begriffen. Es war nicht der neue Wagen, nicht die Klamotten oder der Umzug an einen anderen Ort, der eine Veränderung brauchte. Sondern ihre Persönlichkeit.
Was war schon dabei,
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