Verliebt verlobt Versace Roman
jedenfalls war betrunken.
»Gehörst du insgeheim auch zur Postpunk-Boheme? Mir sind allerdings keine Piercings aufgefallen.«
»Ich bin eher ein Tattoo-Mädchen«, lachte ich, als er versuchte, mir das T-Shirt hochzuschieben. »Hör auf, das sieht doch jeder!«
»Ich muss aber diese Tattoos finden«, sagte er und hielt mit einer Hand meine Handgelenke über meinem Kopf fest, während er mich mit der anderen untersuchte. »Dass ich die beim letzten Mal nicht gesehen habe, kann ich gar nicht glauben.«
»Ich habe auch keine«, sagte ich atemlos, halb vom Lachen, halb, weil er mich so fest nach unten drückte. Ein vertrautes Gefühl baute sich in meinem Magen auf und wallte durch meinen Körper.
»Ich glaube aber doch«, sagte er und schaute mich fest an. »Vielleicht habe ich sie bloß nicht gesehen, weil es so dunkel war.«
»Vielleicht«, wisperte ich, bereit, mich von ihm hochheben
und nach Hause bringen zu lassen. Er hatte schätzungsweise zehn Sekunden Zeit, dies vorzuschlagen, ehe ich mich selbst zum öffentlichen Ärgernis machte. Und uns womöglich ins Gefängnis brachte.
»Sollen wir einfach gehen?«, fragte er mit glutvollem Blick und belegter Stimme. Ich nickte und ließ mich von ihm unsanft auf die Beine ziehen. Seine Hand brannte in meinem Kreuz, als wir durch den Park schlenderten. Ich wollte ihn nicht zur Eile drängen, aber fast schien es, als ginge er extra langsam, um es in die Länge zu ziehen und mich warten zu lassen. Aber ich konnte nicht warten. Ich drückte sanft seine Hand, aber er erwiderte nur den Händedruck und lächelte vielversprechend.
»Hast du’s eilig?« Tyler hielt mich zurück, als ich mich zwischen Kanter und Galopp aufs Tor zubewegte.
Darauf hatte ich keine Antwort, die mich nicht wie ein Flittchen hätte aussehen lassen, also blieb ich bei der Wahrheit und fragte: »Du nicht?«
»Punkt für dich«, erwiderte er und zog mein Kinn nach oben und gab mir einen harten Kuss. Ich spürte unter mir die Beine wegschmelzen, und es gab außer mir und Tyler und seinem Apartment, das weniger als zehn Minuten entfernt lag, nichts mehr auf der Welt. Ehrenwort.
Mein zweiter Besuch bei Tyler war genauso lehrreich wie mein erster. Und mehr als alles andere war er, während ich in seinem riesigen weichen Bett lag und ihn beim Dösen betrachtete, ein Weckruf, der mir sagte, wie lange die Beziehung von mir und Mark schon tot gewesen war. Ich konnte mich wirklich nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal Sex während des Tages gehabt hatten, aber es war wirklich wie Fahrradfahren. Nicht, dass ich Fahrrad fahre.
Und es ist schon bemerkenswert, wie biegsam man sein kann, wenn man nur mit ganzer Seele dabei ist. Ich schlüpfte leise aus dem Schlafzimmer und suchte mein Höschen und mein Top zusammen und verschwand damit im Badezimmer. Nach kurzen Reparaturmaßnahmen an meiner Wimperntusche und einem kalten Waschlappen, den ich mir an mein von Bartstoppeln aufgerautes Kinn presste, machte ich mich an die obligatorische Sichtung des Badezimmerschranks.
Als Erstes fiel mir auf, dass er für einen Mann jede Menge Zeug hatte. Mich hatte es Monate gekostet, bis es mir durch Andeutungen und Hinweise auf Anzeigen in GQ gelungen war, Mark so weit zu bringen, wenigstens den Nivea-for-Men-Aftershavebalsam zu benutzen, aber Tyler besaß mehr Kosmetikprodukte als ich. Shampoo, Haarfestiger, Haarmaske, Gel, Schaum, Wachs, Augencreme, Peeling, Gesichtswasser, Feuchtigkeitscreme mit Sonnenschutzfilter, Nachtcreme mit Retinol. Ich wusste nicht, ob ich eingeschüchtert oder beeindruckt sein sollte, aber als mir dann wieder einfiel, wie toll er immer aussah, beschloss ich, es zu akzeptieren.Vielleicht sollte ich mir ein paar Sachen davon etwas genauer anschauen. Hinter den Cremes, Gels, Lotionen und Tränklein standen mehrere Flaschen mit Schmerztabletten, einige harmlos, andere verschreibungspflichtig. Schmerztabletten hat jeder, sagte ich mir, ich selbst hatte auch tonnenweise Co-codamol aus der Zeit, da man mir einen Weisheitszahn gezogen hatte. Ganz hinten, auf dem obersten Regal, lag ein schwarzer Reisewaschbeutel. Nach einem kurzen Blick zur Tür riss ich ihn herunter. Ich konnte nicht anders. Wenn er süße kleine Reise-Toilettenartikel hatte, zog ich ein. Aber es waren keine Toilettenartikel für Männer. Es war eine Morgen-danach Ausrüstung. Für eine
Frau. Deodorant, eine neue Zahnbürste, Augenmake-up-Entferner und, herrje, sogar Tampax.
Ich stellte die Tasche zurück und setzte mich auf
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