Verliebte Abenteuer
eine dumme Gans bist. Rauche nicht soviel! Denke lieber daran, was du verbrochen hast! Meinen lieben William so zu behandeln! Diesen netten, braven, guten Jungen! Als Kutscher war er tätig, verrichtete niedrigste Arbeiten, um in deiner Nähe zu sein, so liebte er dich! Und wie danktest du es ihm? Du hast ihn behandelt wie einen Misthaufen, den man mit der Gabel umwendet, damit er richtig gar wird.«
Tante Mary vergaß also doch laufend ihre Würde und setzte sich nun schwer in den Sessel am Fenster. Sie ergriff den Telefonhörer und wählte eine Nummer.
»Wen rufst du denn an?« fragte Loretta, wobei sie sich die Nase putzte.
Mary Abbot winkte ab.
»Ich werde versuchen, William aufzuhalten! – Ja? Wer ist dort? Butler Stoke?«
Loretta sprang auf und wollte ihr den Hörer aus der Hand reißen, aber Tante Mary hielt sie sich energisch vom Leibe.
»Stoke, hören Sie mal«, begann sie, »ich hätte nicht gedacht, daß Sie ein solches Rindvieh sind.«
Butler Stoke in Aberdeen verdrehte die Augen und hielt die Sprechmuschel mit der Hand zu. Seine Tochter Bebsy stand neben ihm und sah, wie ihr Vater eine Grimasse schnitt. »Tante Mary«, sagte er leise zu ihr. »Der Drachen ist in Fahrt. Rindvieh nennt sie mich.« Und, die Hand von der Sprechmuschel nehmend: »Jawohl, Mylady, das hätte ich auch nicht gedacht. Darf ich fragen, worum's geht?«
»Seien Sie nicht noch frech dazu!« schrie Lady Abbot in Brighton. »Haben Sie denn wirklich nicht gemerkt, wer dieser Flip ist, der da bei Ihnen die Pferde versorgt?«
»Ein Kutscher und Chauffeur, Mylady.«
»Ein Lord!«
»Jawohl, bei einem Lord war er vorher als Kutscher in Stellung. Er hat sehr gute Manieren.«
Tante Mary schnaufte. Ein Seelöwe, der, nach Luft japsend, aus dem Wasser taucht und die Eisschollen beiseite schiebt, hätte keine bedrohlicheren Geräusche erzeugen können. Tante Mary brachte die Lippen ganz nahe an die Sprechmuschel heran und brüllte: »Der Kutscher Flip ist Lord Ashborne!«
Stoke sah seine Bebsy an und schüttelte den Kopf. Er tippte sich an die Stirn, zeigte auf die Sprechmuschel und antwortete: »Daß Flip von Seiner Lordschaft kam, weiß ich, Mylady. Er wurde dort gut ausgebildet; ein sehr verläßlicher Bursche.«
»Stoke!« schrie Tante Mary. »Begreifen Sie Hornochse denn nicht: Flip ist Lord Ashborne!«
»Weeer ist Flip?« fragte Stoke nun doch gedehnt. Er starrte Bebsy an, seine Augen waren weit geöffnet, er schluckte krampfhaft.
»Der Lord, Stoke!«
»Der Lord?« röchelte der Butler. Dann legte er einfach auf und ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. »Bebsy«, sagte er leise, »meine liebe einzige Tochter … unser Kutscher Flip ist gar nicht der Flip … er ist der Lord.«
»Aber nein!« schrie Bebsy auf. »Und wer ist dann Percy?«
Das war ein Signal für Butler Stoke. Er fuhr aus seiner würdevollen Haut und hieb mit der Faust auf den Tisch.
»Dein Percy ist sein Komplice! Sein Mitwisser! Sein Kammerdiener, der alles deckt! Sicher ist er das! Wir sind hintergangen worden! Man hat uns an der Nase herumgeführt! Diesen Percy jage ich zum Teufel! Sofort!«
»Aber wir lieben uns doch, Vater«, jammerte Bebsy. »Wir wollen doch heiraten.«
Stoke wischte sich über die Augen. »Bebsy«, sagte er plötzlich mild. »Bebsylein, glaubst du, der Spießgeselle und Freund eines Lords heiratet eine kleine Zofe? Nie und nimmer. Es wäre unter seiner Würde. Er spielt nur mit dir … das ist alles. Ich werde mit ihm sprechen.« Stoke stand auf. »Wo ist er denn jetzt?«
»Im Park. Er schneidet die Rosenstöcke.« Bebsy klammerte sich an den Vater. »Bitte, bitte, geh nicht. Laß mich mit ihm sprechen, ich kann das besser, und mir sagt er auch die Wahrheit. Laß mich gehen.«
»Wie du willst.« Stoke sah in den Spiegel, ordnete sich den Schlips an seinem steifen, weißen Kragen. »Aber vergiß nicht, mein Kind, du bist die Tochter des Butlers. Wir haben Haltung zu bewahren, in allen Lagen. Wer Percy ist, soll uns nicht mehr interessieren, aber daß wir Lord Ashborne einige Tage unter uns als Kutscher hatten, das muß uns eigentlich mit stillem Stolz erfüllen. So mußt du denken, mein Kind. Und nun geh.«
Im Park schnitt Percy die Rosenstöcke und sang dabei ein Seemannslied. Das paßte zwar nicht zusammen, der Gesang entsprang aber einem Bedürfnis, dem Percy oft erlag, denn sein Traum war die See. So merkte er nicht, wie Bebsy plötzlich hinter ihm stand und ihn anrief: »Herr Kammerdiener!«
Percy fuhr herum und
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