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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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anderen Weg folgen als dem, auf dem Tally hergekommen war. Jene Route hatte leicht sein sollen, und dazu hatte auch die Helikopter-Tour mit den Förstern gehört. Diese hier würde nicht so direkt verlaufen. So überladen, wie sie waren, konnten Tally und David nicht einmal kurze Strecken zu Fuß bewältigen. Und nach der Invasion würden sie um alle Städte einen großen Bogen machen müssen.
      Glücklicherweise hatte David den Weg zu Tallys Stadt schon viele Male zurückgelegt, allein und in Begleitung von unerfahrenen Uglies. Er kannte die Flüsse und die Schienenstränge, die Ruinen und die natürlichen Erzadern, und er kannte Dutzende von Fluchtwegen, die er ersonnen hatte, falls er jemals von den Behörden verfolgt würde.
      "Zehn Tage", sagte er, als sie aufbrachen. "Wenn wir die ganze Nacht
      unterwegs sind und uns tagsüber bedeckt halten."
      "Klingt gut", sagte Tally, aber sie fragte sich, ob sie früh genug eintreffen würden, um irgendwen vor der Operation zu retten.
      Gegen Mitternacht des ersten Reisetages verließen sie den Bach, der zum kahlköpfigen Berg hinunterführte, und folgten einem vertrockneten Bachlauf durch die weißen Blumen. Auf diese Weise gelangten sie an den Rand einer riesigen Wüste.
      "Wie kommen wir da durch?"
      David zeigte auf scharfe Umrisse, die sich aus dem Sand erhoben, eine Reihe von ihnen verlor sich in der Ferne. "Das waren früher mal mit Stahlkabeln verbundene Türme."
      "Wozu das denn?"
      "Die Kabel haben Strom von einer Windkraftanlage in eine der alten Städte gebracht."
      Tally runzelte die Stirn. "Ich wusste gar nicht, dass die Rusties Windkraft genutzt haben."
      "Sie waren nicht alle verrückt. Nur die meisten eben." Er zuckte mit den Schultern. "Du darfst nicht vergessen, wir stammen doch so mehr oder weniger von den Rusties ab, und wir benutzen immer noch ihre grundlegende Technologie. Einige von ihnen müssen einfach auf die richtigen Ideen gekommen sein."
      Die Kabel waren noch immer in der Wüste begraben, geschützt von Wanderdünen und dem fast vollständigen Fehlen von Regen. An manchen Stellen waren sie zerbrochen oder durchgerostet und Tally und David mussten vorsichtig sein und die ganze Zeit die Metalldetektoren ihrer Bretter im Auge behalten. Wenn sie eine Lücke erreichten, über die sie nicht springen konnten, rollten sie ein langes Kabel auseinander, das  David bei sich hatte, und gingen dann neben den Brettern her, führten sie wie störrische Esel über eine schmale Brücke. Dann rollten sie das Kabel wieder auf.
      Tally hatte noch nie eine echte Wüste gesehen. Sie hatte in der Schule gelernt, dass es in Wüsten jede Menge Leben gab, aber diese hier war wie die Wüsten, die sie sich als Winzling vorgestellt hatte – nichtssagende Sandhaufen, die sich unendlich weit in die Ferne zogen. Nichts bewegte sich außer Sandschwaden, die der Wind langsam vor sich hertrieb.
      Sie kannte nur eine einzige große Wüste in diesem Erdteil mit Samen. "Ist das die Mojave?"
      David schüttelte den Kopf. "Die hier ist bei weitem nicht so groß und auch nicht natürlich. Wir stehen hier an der Stelle, wo das weiße Unkraut zuerst gewachsen ist."
      Tally stieß einen Pfiff aus. Der Sand schien kein Ende zu nehmen. "Was für eine Katastrophe!"
      "Als erst einmal die anderen Pflanzen von den Orchideen verdrängt worden waren, gab es nichts mehr, was den fruchtbaren Erdboden festhalten konnte. Er wurde verweht und jetzt ist nur noch Sand übrig."
      "Wird das hier jemals etwas anderes sein als eine Wüste?"
      "Sicher, in tausend Jahren oder so. Vielleicht hat bis dahin irgendwer
      eine Methode gefunden, um das Unkraut an der Rückkehr zu hindern.
      Wenn nicht, dann wird alles wieder von vorne losgehen."
            ***
      Bei Tagesanbruch erreichten sie eine Rusty-Stadt. Es war eine Ansammlung von nichtssagenden Gebäuden, gestrandet in einem Meer aus Sand.
      Im Laufe der Jahrhunderte hatte die Wüste dort Einzug gehalten, Dünen strömten wie Wasser durch die Straßen, aber die Häuser waren in besserem Zustand als andere Rusty-Gebäude, die Tally gesehen hatte. Sand schliff die Kanten der Gegenstände ab, zersetzte sie aber nicht so hungrig wie Regen und Vegetation.
      Sie waren beide noch nicht müde, aber tagsüber konnten sie nicht weiterreisen, da die Wüste keinen Schutz vor der Sonne und keine Versteckmöglichkeiten bot. Sie ließen sich im zweiten Stock eines niedrigen Fabrikgebäudes nieder, von dem noch fast

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