Verliere nicht dein Gesicht
sie zusammen. "Ihr hättet diese Leute sehen sollen. Die, die nach Shay suchen. Die sehen aus wie ..."
Sol lachte. "Ja, in deinem Alter kann das sicher ein Schock sein. Aber wir Alten wissen natürlich alles über die Besonderen Umstände. Die Leute da wirken hart, aber sie machen nur ihre Arbeit, weißt du. Da draußen geht es eben hart her."
Tally seufzte. Vielleicht widerstrebte ihr das alles so sehr, weil die grausamen Pretties ihr solche Angst gemacht hatten. "Habt ihr sie denn je gesehen? Ich konnte es nicht fassen, dass die so aussehen!"
Ellie runzelte die Stirn. "Na ja, ich kann nicht behaupten, dass ich wirklich einen von denen gesehen hätte."
Sol runzelte ebenfalls die Stirn, dann lachte er. "Na, das möchtest du doch auch gar nicht, Ellie. Und Tally, wenn du dich jetzt richtig verhältst, läuft dir vermutlich nie wieder so jemand über den Weg. Darauf können wir doch alle verzichten."
Tally sah ihren Vater an und ahnte in seinem Gesicht für einen Moment etwas anderes als Weisheit und Vertrauen. Es war fast zu einfach, wie Sol über die Specials lachte und alles abtat, was sich außerhalb der Stadt abspielte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hörte Tally einem Mittel-Pretty zu, ohne danach wirklich beruhigt zu sein, und bei dieser Erkenntnis wurde ihr schwindlig. Und sie konnte sich nicht von dem Gedanken befreien, dass Sol nichts über die Welt draußen wusste, in die Shay geflohen war. Vielleicht wollten die meisten Leute einfach nichts davon wissen. Tally hatte in der Schule alles über die Rusties und die alte Geschichte gelernt, aber nie war auch nur ein einziges Wort über Leute gesagt worden, die jetzt außerhalb der Städte lebten, über Leute wie David. Bis ihr Shay begegnet war, hatte Tally auch nie über solche Dinge nachgedacht.
Aber sie konnte das alles nicht abtun, so wie ihr Vater.
Und sie hatte es Shay doch feierlich versprochen. Auch wenn sie nur eine Ugly war, Versprechen musste man halten. "Ich muss mir das alles gut überlegen."
Für einen Moment füllte eine unbehagliche Stille das Zimmer. Das hatten ihre Eltern nicht erwartet.
Dann lachte Ellie und streichelte ihre Hand. "Natürlich musst du das, Tally."
Sol nickte und war jetzt wieder Herr der Lage. "Wir wissen, dass du das Richtige tun wirst."
"Sicher. Aber könnte ich bis dahin mit euch nach Hause kommen?"
Ihre Eltern wechselten einen verblüfften Blick.
"Ich meine, hier ist es jetzt richtig komisch. Alle wissen, dass ich ... ich habe keinen Unterricht mehr, und da wäre es doch so, als ob ich in den Herbstferien nach Hause käme, nur ein bisschen früher."
Sol erholte sich als Erster von seiner Überraschung und streichelte ihre Schulter. "Also, Tally, meinst du nicht, in Crumblyville wäre es noch komischer für dich? Ich meine, um diese Jahreszeit sind da doch keine anderen Kinder."
"Für dich ist es viel besser, hier mit allen anderen zusammen zu sein, Liebling", fügte Ellie hinzu. "Du bist nur ein paar Monate älter als viele von ihnen. Und außerdem ist dein Zimmer nicht fertig."
"Das macht doch nichts. Nichts könnte schlimmer sein als das hier", sagte Tally.
"Ach, bestell dir doch einfach neue Kleider und stell den Wandbildschirm wieder so ein, wie es dir gefällt", riet Sol.
"Ich meine nicht das Zimmer ..."
"Auf jeden Fall", fiel Ellie ihr ins Wort, "wozu die Aufregung? Das alles wird doch ganz bald vorbei sein. Rede einfach mit den Besonderen Umständen, erzähl ihnen alles, und dann kannst du dahin, wo du wirklich sein willst."
Sie schauten alle aus dem Fenster auf die Türme von New Pretty Town.
"Ja, wahrscheinlich."
"Herzchen", sagte Ellie und streichelte Tallys Bein. "Was hast du denn für eine Wahl?"
Peris
Tagsüber versteckte sie sich in ihrem Zimmer.
Irgendwo anders hinzugehen war die reine Folter. Die Uglies in ihrem Haus behandelten sie wie eine wandelnde Seuche und alle, die sie erkannten, fragten früher oder später: "Wieso bist du noch nicht hübsch?"
Es war seltsam. Sie war jetzt vier Jahre lang hässlich gewesen, aber diese wenigen zusätzlichen Tage hatten ihr erst richtig klargemacht, was dieses Wort wirklich bedeutet. Tally schaute immer wieder in den Spiegel und registrierte jeden Makel, alles, was ihr irgendwie entstellend vorkam. Ihre dünnen Lippen, die sich vor Elend zusammenzogen. Ihre Haare, die noch strubbeliger waren, weil sie in ihrem Frust immer wieder mit den Händen
Weitere Kostenlose Bücher