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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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versehen. Irgendwer hatte bemerkt, dass sie nichts gegessen hatte. Und natürlich war allen klar, dass sie sich versteckte.
      Der Anblick des Essens, zerkocht und einsam, trieb ihr die bisher unterdrückten Tränen in die Augen. Tallys Kehle brannte, als ob sie etwas Scharfes verschluckt hätte, und sie konnte nur noch in ihr Zimmer zurückrennen, ehe sie in lautes, abgehacktes Schluchzen ausbrach.
      Wenigstens hatte sie den Teller nicht vergessen. Sie aß und weinte gleichzeitig und jeder Bissen schmeckte nach dem Salz ihrer Tränen.
            ***
      Ungefähr eine Stunde darauf kamen ihre Eltern.
      Ellie fegte zuerst ins Zimmer und riss Tally in eine Umarmung, die ihr die Luft aus der Lunge trieb und ihre Füße von Boden hob. "Tally, mein armes Herzchen!"
      "Nun zerdrück die Kleine nicht, Ellie. Sie hat einen harten Tag hinter sich."
      Auch ohne Sauerstoff fühlte Tally sich in der erdrückenden Umarmung wohl. Ellie roch einfach immer richtig, genau wie eine Mutter, und Tally kam sich in ihren Armen vor wie ein Winzling. So standen sie mindestens eine Minute, bevor Ellie sie losließ - immer noch viel zu früh. Tally trat zurück und hoffte, dass sie nicht wieder in Tränen ausbrechen würde. Sie schaute ihre Eltern unglücklich an und fragte sich, was die wohl dachten. Sie kam sich vor wie eine Versagerin. "Ich wusste nicht, dass ihr kommen wolltet."
      "Natürlich sind wir gekommen", sagte Ellie.
      Sol schüttelte den Kopf. "So was habe ich noch nie gehört. Das ist doch lächerlich. Und wir werden der Sache schon auf den Grund gehen, mach dir da keine Sorgen."
      Tally fühlte sich wie von einer Last befreit. Endlich war jemand auf ihrer Seite. Die Mittel-Pretty-Augen ihres Vaters leuchteten mit gelassener Sicherheit. Es stand außer Frage, dass er alles in Ordnung bringen würde.
      "Was haben sie euch gesagt?", fragte Tally.
      Sol zeigte aufs Bett und Tally setzte sich. Ellie ließ sich neben ihr nieder, Sol lief in dem kleinen Zimmer auf und ab.
      "Na, sie haben uns von dieser Shay erzählt. Die macht ja offenbar jede Menge Ärger."
      "Sol!", fiel Ellie ihm ins Wort. "Das arme Mädchen ist verschwunden."
      "Das hat sie ja wohl auch so gewollt."
      Tallys Mutter verzog schweigend den Mund.
      "Das war nicht ihre Schuld, Sol", sagte Tally. "Sie wollte einfach nicht hübsch werden."
      "So, Anarchistin ist sie also auch noch. Von mir aus. Aber sie sollte vernünftig genug sein, um nicht auch noch andere Leute da mit reinzuziehen."
      "Sie hat mich nirgendwo reingezogen. Ich bin doch hier." Tally schaute aus dem Fenster auf den vertrauten Anblick von New Pretty Town. "Wo ich offenbar für den Rest meines Lebens bleiben werde."
      "Aber, aber", sagte Ellie. "Sie haben gesagt, dass alles ganz normal weitergehen wird, sowie du ihnen geholfen hast, diese Shay zu finden."
      "Es spielt doch keine Rolle, ob diese Operation um ein paar Tage verschoben wird. Und wenn du alt bist, wirst du eine tolle Geschichte erzählen können." Sol schmunzelte.
      Tally biss sich auf die Lippe. "Ich glaube nicht, dass ich ihnen helfen kann."
      "Na, tu einfach dein Bestes", sagte Ellie.
      "Aber das kann ich nicht. Ich meine, ich habe Shay versprochen, niemandem von ihren Plänen zu erzählen."
      Sie schwiegen für einen Moment.
      Sol setzte sich und nahm eine ihrer Hände. Seine waren warm und stark und fast so faltig wie die von Runzlingen, weil er jeden Tag in der Holzwerkstatt stand. Tally ging auf, dass sie ihre Eltern seit der einen Woche Sommerferien nicht mehr besucht hatte, und da hatte sie unbedingt wieder weggewollt, um die Zeit mit Shay zu verbringen. Aber es tat jetzt gut, sie zu sehen.
      "Tally, als Kinder versprechen wir so vieles. Das gehört zum Ugly-Dasein - alles ist aufregend und mitreißend und wichtig, aber darüber musst du hinauswachsen. Du bist diesem Mädchen nichts schuldig. Sie hat dir nur Ärger gebracht."
      Ellie nahm ihre andere Hand. "Und du würdest ihr doch nur helfen, Tally. Wer kann denn wissen, wo sie jetzt ist und was ihr passiert? Es überrascht mich, dass du einfach zugesehen hast, wie sie weggelaufen ist. Weißt du nicht, wie gefährlich es dort draußen ist?"
      Tally ertappte sich bei einem Nicken. Wenn sie Ellie und Sol ins Gesicht sah, dann wirkte alles so klar. Vielleicht würde sie Shay wirklich helfen, wenn sie mit Dr. Cable zusammenarbeitete, und für sie selbst würde wieder alles in Ordnung kommen. Aber beim Gedanken an Dr. Cable zuckte

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