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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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die Beine nicht jeden Moment unter mir nachgeben konnten. Das Wasser war heiß geblieben, aber ich drehte es ab, weil mir die Knie weich wurden.
    Lieber Himmel, war ich müde.
    Ich trocknete mich ab und streifte Calebs übergroßes Shirt über.
    Die »kurzen« Ärmel reichten mir über die Ellenbogen hinweg, und der Saum berührte die Knie. Ich fand, dass es seinen Zweck erfüllte, und verließ den Raum.
    Der Jogger war verschwunden, und niemand hatte seinen Platz eingenommen, wodurch sich alles gespenstisch leer anfühlte. Ich sah mich nach Pritkin um, denn ich hätte es ihm durchaus zugetraut, eine halbe Stunde nach seinem Fast-Tod Gewichte zu stemmen.
    Aber er glänzte durch Abwesenheit.
    Die Sporthalle war recht groß und auch offen, mit Leuchtstoffröhren an der Decke und ohne etwas, das den Blick versperrte; ich hätte Pritkin also kaum übersehen können. Für einen kurzen, von Panik erfüllten Moment – besser gesagt, er wäre von Panik erfüllt gewesen, wenn ich dafür noch Kraft genug gehabt hätte – befürchtete ich, dass er zu Caleb zurückgekehrt war, um seinen Streit mit ihm auszutragen. Doch dann hörte ich das Rauschen von Wasser.
    Ich zögerte einige Sekunden und dachte daran, dass es vielleicht der Jogger war, der sich eine Dusche genehmigte. Aber ich war zu müde für Verlegenheit und Scham, und Kriegsmagier neigten dazu, alles wegzustecken. Ich beschloss, es zu riskieren.
    Das Bad der Jungs sah genauso aus wie das für die Frauen, mit dem einen Unterschied, dass es etwas größer war und Urinale aufwies. Ich ging an den Toiletten vorbei zum großen Duschraum weiter hinten. Eine Tür gab es nicht – natürlich nicht –, und deshalb dauerte es nicht lange, bis ich ihn fand.
    Etwas länger dauerte es zu entscheiden, was ich tun sollte.
    Für jemanden, der so laut war wie Pritkin, rastete er nur selten aus. Vielleicht diente ihm all das Geschrei als eine Art Sicherheitsventil, ich weiß es nicht. Aber wie schlimm die Dinge auch wurden, er kriegte seinen Scheiß besser geregelt als die meisten anderen Leute, mich eingeschlossen. Was allerdings nicht viel bedeutete.
    Meine Wenigkeit fiel in die Beim-ersten-Anzeichen-von-Gefahr-schreiend-weglaufen-Kategorie, und Pritkin war Er-bleibt-auch-dann-cool-wenn-alles-drunter-und-drüber-geht.
    Weshalb ich es seltsam fand, dass er unter der Dusche stand, in all dem herabströmenden Wasser, und so auf die Seife starrte, als hätte er vergessen, was man damit machte.
    Er schien sie noch nicht benutzt zu haben. Blutstreifen zeigten sich an seinen muskulösen Beinen, Öl oder etwas Schwarzes bildete Flecken am Rücken, und praktisch überall gab es Blutergüsse und dergleichen. Die schwarzen Flecken auf dem Rücken zerliefen allmählich, wodurch er wie ein Avantgarde-Gemälde oder eine beschädigte Skulptur aussah. Der Denker in Gelb, Violett und Grün.
    Das Haar war nass und klebte am Kopf, was die Knochen in seinem Gesicht betonte und die Nase noch größer erscheinen ließ, als er den Kopf drehte und in meine Richtung sah. Es war eine Bewegung, die nicht seine sonst so schnellen Reflexe zum Ausdruck brachte, sondern langsame Verwunderung, was mich sehr besorgte.
    Nicht dass ein Mörder sich im Hauptquartier des Korps an ihn he-ranschleichen würde, aber trotzdem. Ich gewann den beunruhigen-den Eindruck: Wenn ich ein Mörder gewesen wäre, der sich an ihn herangeschlichen hätte – er hätte einfach nur dagestanden und sich von mir töten lassen.
    Na schön.
    Ich ging zu ihm, obwohl ich überhaupt nicht wusste, was ich tun sollte. Als ich bei Tony aufgewachsen war, hatte ich viele scheußliche Dinge gesehen, und in letzter Zeit hatten mir meine Visionen noch Schlimmeres gezeigt. Schon als Kind hatte ich gelernt, von unpassenden, belastenden Gefühlen Abstand zu nehmen, von allem, mit dem ich nicht sofort fertig werden konnte. Derzeit war ich die Nummer eins in Scarlett O'Haras Schule der emotionalen Distanzierung. An die unangenehmen Dinge dachte ich immer morgen, und wie alle wissen: Das Morgen kommt nie.
    Und was auch immer die Psychologen behaupten, Verleugnung und Verdrängung machten das Leben viel einfacher. Zumindest die meiste Zeit über. Mir hatte es geholfen, bei Verstand zu bleiben, mehr oder weniger, selbst unter Umständen, die einen in den Wahnsinn treiben konnten.
    Derzeit funktionierte es nicht mehr so gut.
    Es bedeutete, dass ich nicht wusste, wie ich mit Pritkin über seinen Kram reden sollte, was auch immer dieser Kram war, weil ich nur

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