Verlockend untot
gehörten.«
»Ich dachte, Sie sind Soldat gewesen.«
Marco hob eine buschige schwarze Braue, verzichtete aber darauf, zu fragen, woher ich das wusste. »Das stimmt auch. Hab mich vom einfachen Soldaten zum Zenturio hochgearbeitet, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie das Reich um mich herum zusammenbrach. Nach einem Kampf war ich halb tot – einige Männer gruben mich aus Blut und Dreck und trugen mich fort. Wie sich herausstellte, arbeiteten sie für einen geschäftstüchtigen Vampir, dem ehemalige Soldaten gefielen.«
Er drückte etwas fester zu, und ich stöhnte, aber nicht, weil es wehtat. Das Bein fühlte sich jetzt besser an, betonte damit jedoch nur, wie schlecht es um den Rest meines Körpers stand – ich bemerkte erst all die anderen Schmerzen, nachdem der größte verschwunden war. Und jetzt riefen sie alle um Hilfe.
Marco schüttelte den Kopf. »Drehen Sie sich um.«
Ich drehte mich um, und die großen Hände nahmen sich meinen Rücken vor. Das Kissen dämpfte ein Wimmern, denn Marcos Vorstellung von einer Massage schloss kein Lavendelöl, keine ruhige Musik, keine warmen Handtücher ein. Er startete einfach einen Frontalangriff auf verhärtete Muskeln und bearbeitete sie, bis sie mit der weißen Fahne winkten und sich ergaben.
»Warum mochte dieser Vampir ehemalige Soldaten?«, brachte ich nach einer Minute hervor, hauptsächlich deshalb, um an etwas anderes zu denken.
»Fortunatus verdiente sein Geld, indem er Gladiatoren für Reiche beschaffte. Für Politiker, die sich beim gemeinen Volk einschmeicheln wollten. Oder für Bonzen, die sich bei privaten Veranstaltungen gegenseitig zu übertreffen versuchten. Die besten Geschäfte machte er mit Kämpfen um Leben und Tod, aber es kostete ihn auch eine Menge, Gladiatoren gut genug auszubilden. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, wenn sie nach all den Investitionen beim ersten Kampf in der Arena starben.«
»Deshalb wählte er Leute, die bereits ausgebildet waren?«
»Nein, er wählte Leute, die bereits ausgebildet waren, und verwandelte sie in Vampire. Dadurch konnte das Publikum die Gladiatoren immer wieder ›sterben‹ sehen, ohne dass er seinen Vorrat an Kämpfern ständig erneuern musste. Wir…« Er hielt inne, als ich mich halb umdrehte und zu ihm hochsah. »Es liegt lange zurück.«
»Es ist schrecklich!«
»So ist das Leben. Wenn mich Fortunatus' Männer nicht auf dem Schlachtfeld gesehen und gedacht hätten, dass ich genau das war, was sich ihr Boss wünschte … Dann wäre ich jetzt nicht hier. Fast hätte ich es damals nicht geschafft. Er brauchte zwei Monate, um mich so weit aufzupäppeln, dass er mich töten konnte.«
Ich schluckte. »Ich hoffe, Sie waren nicht sehr lange bei ihm.«
»Ein Jahrhundert, mehr oder weniger.«
»Ein Jahrhundert?«
»Bis zum Verbot der Spiele.« Marco drückte mich wieder nach unten und begann damit, meine Schultern zu kneten. »Die Christen hielten nichts von Gladiatorenkämpfen, vermutlich deshalb, weil zu viele von ihnen in der Arena endeten, und nicht unbedingt freiwillig. Verstehen Sie?«
Ich nickte.
»Als das Christentum an Einfluss gewann, hörten die Politiker damit auf, Spiele zu finanzieren, denn dadurch bekamen sie nicht mehr Stimmen, sondern verloren welche. Und dann ließ sich der Kaiser taufen und sorgte für ein Gesetz gegen Gladiatorenkämpfe. Zwar wurden auch weiterhin welche veranstaltet, aber sie waren illegal, und es gab nicht genug von ihnen, damit sie für Leute wie Fortunatus lukrativ gewesen wären. Er verkaufte mich an einen anderen Herrn, der einen Leibwächter brauchte, und anschließend ging's von Anstellung zu Anstellung weiter.«
»Bis Sie bei Mircea gelandet sind.«
»Sie wissen ja, wie das ist. Man muss zu jemandem gehören.«
»Aber Sie sind ein Senior-Meister«, sagte ich. »Sie könnten einen eigenen Hof haben, wenn Sie wollten.«
»Ja. Mit all den Kosten und Kopfschmerzen und dem diplomatischen Blödsinn, um den man sich kümmern muss, und man ist trotzdem jemandem verpflichtet. Alle wollen nach oben und können es gar nicht abwarten, die fünfte, vierte oder dritte Stufe zu erreichen und selbstständig zu werden. Um dann festzustellen, dass sich kaum was ändert.«
»Was ändert sich nicht?«
Marcos Hände verharrten auf meinem Rücken. »Es gibt keine Freiheit in unserer Welt, Cassie. Wenn ich Mircea verlassen würde, müsste ich mich mit einem anderen hohen Meister verbünden, um zu überleben. Und dann würde ich in seine Existenz und seine Kämpfe
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