Verlockend untot
muss.«
»Das ist… aber…« Ich sah mich erschrocken um, was überhaupt keinen Sinn hatte. Als ob Rosier bei uns säße und uns genau beobachtete. »Holt er dich jetzt zurück? Nach dem, was geschehen ist.«
Pritkin schüttelte den Kopf. »Ich darf Nahrung aufnehmen, um mein Leben zu retten – das ist die einzige zulässige Ausnahme. Mein Vater will mich nicht tot haben, wie du siehst. Er will mich lebend und in seinen Diensten. Wahrscheinlich befürchtete er, dass es seine Pläne ruinieren könnte, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, mich im Notfall mit neuer Kraft zu versorgen.«
»Er glaubte, du würdest es nicht schaffen«, sagte ich langsam.
»Hierzubleiben, meine ich.«
»Nein. Er war sicher, dass ich gegen die Vereinbarung verstoßen würde, in zehn oder spätestens zwanzig Jahren. Und ein oder zwei Jahrzehnte sind für Dämonen nicht viel Zeit. Er hatte bereits Hunderte von Jahren gewartet. Was machten einige mehr da für einen Unterschied?«
»Er hat dich unterschätzt.«
»Ich glaube, am Hof wurden Wetten darüber abgeschlossen, wie lange ich durchhalten würde. Inzwischen sind sie alle abgelaufen.«
»Aber… hast du gewusst, wie es sein würde, als du …«
»Nein.« Pritkin lachte humorlos. »Nein.«
»Du musst doch gedacht haben …«
»Ich glaube, zu jener Zeit habe ich nicht viel gedacht. Aber die wenigen Gedanken, die mir durch den Kopf gingen… Wahrscheinlich dachte ich, dass es nie wieder eine Frau in meinem Leben geben würde. Die Vorstellung, erneut intim zu werden, erfüllte mich mit Abscheu. Ich war entsetzt von dem, was ich getan hatte und was aus mir geworden war …«
»Nichts ist aus dir geworden! Es war die Schuld deines Vaters und die Entscheidung deiner Frau. Du hast damit nichts zu tun.«
»Abgesehen von der Tatsache, dass ich zum Instrument ihres Todes wurde.«
»Ja, und das macht dich zum Opfer, nicht zu einem Ungeheuer!«
»Nicht in den Augen der anderen Ungeheuer. Im Gegensatz zu den übrigen Dämonenspezies stehen Inkuben in dem Ruf, ihren Partnern eine gewisse Achtung zu zeigen. Natürlich steckt oft Egoismus dahinter — immerhin ist so etwas einfacher, als ständig neue Opfer zu suchen. Dennoch gab es am Hof meines Vaters Geschöpfe, die mich nach diesen Ereignissen mieden. Wesen, die ich schon seit einer ganzen Weile verachtete, waren zutiefst beschämt – beschämt! –, wenn sie mit mir in Verbindung gebracht wurden. Und ich konnte es ihnen nicht verdenken. Ich fühlte mich, als brächte ich es nie fertig, noch einmal Kraft von jemandem aufzunehmen.«
»Und später?«, fragte ich sanft. Es ging mich nichts an, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie es gewesen sein mochte. Ich kannte nicht viele Menschen, die sich so sehr von allem Intimen isolierten. Und in diesem Fall handelte es sich um jemanden, der so etwas von Natur aus brauchte.
»Später…« Pritkins Lippen zuckten. »Ich begann zu verstehen, warum mein Vater zu dieser Vereinbarung bereit gewesen war. Auf einer rein intellektuellen, verstandesmäßigen Ebene war es mir natürlich klar gewesen, aber die Realität sah etwas anders aus.«
»Du fühlst dich noch immer so, nicht wahr?«, fragte ich schockiert. »So wie ich mich vorhin gefühlt habe … Du musst die ganze Zeit damit fertigwerden.«
»Nicht die ganze Zeit über, nein. Fast ein Jahrzehnt lang war es ein konstantes Empfinden …«
»Zehn Jahre?« Er warf mir einen Blick zu, der aus irgendeinem Grund amüsiert wirkte. Er musste verrückt sein. »Wie …«
»Ich muss gestehen, dass ich damals nach einigen gewissen Substanzen süchtig wurde, die ich nahm um … nun, um zu überleben, könnte man sagen. Sie halfen nicht sehr viel – nichts half sehr viel –, aber im Lauf der Zeit fiel mir der Kampf leichter, als mein dämonischer Teil schwächer wurde. Und ich fand ein Ventil für meinen Frust, indem ich jene jagte, die das Gleiche getan hatten wie ich, nur mit Absicht.«
Ich schwieg eine Zeit lang und beobachtete, wie der Sand malvenfarben, scharlachrot und honiggelb wurde, als die Nacht vor der Sonne zurückwich. Wie mochte es sein, wenn ein Teil von einem selbst verhungerte, aber nie ganz starb? Und zu wissen: Wenn man dem ständigen Hunger auch nur einmal nachgab, verlor man für immer die Freiheit.
»Dein Vater ist ein Mistkerl«, sagte ich mit Nachdruck.
»Dem widerspreche ich nicht«, erwiderte er lakonisch. »Allerdings, wenn man die Dinge aus seiner Perspektive sieht… Er fühlt sich betrogen. Im Lauf der
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