Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
Vom Netzwerk:
deshalb fühlte ich mich nicht besser. Die Anzahl der von mir ausgelöschten Leben konnte ich an einer Hand abzählen, und es freute mich nicht, ihnen ein weiteres hinzuzufügen.
    Allerdings schien das auch gar nicht der Fall zu sein.
    Denn jemand kam aus den Flammen, verbrannt und verkohlt, und ließ brennende Teile von sich auf dem Tunnelboden zurück. Von der Kleidung war fast nichts übrig, das Haar brannte lichterloh, die Haut war dunkel und rissig, und flackernder Flammenschein spiegelte sich auf dem Blut wider, das ihm über den Leib strömte. Aber er war auf den Beinen und schien nicht einmal Schmerzen zu empfinden.
    Und er lächelte.

Siebenunddreißig
    Ich würde gern behaupten können, dass ich plante, was als Nächstes geschah, aber das wäre eine Lüge gewesen. Mir ging es nur darum, so schnell wie möglich von diesem Ort zu verschwinden, doch bevor ich diesen Wunsch verwirklichen konnte, griff der Spartoi an. Ich wandte mich in die Richtung des Zuges, und er sprang mir in den Weg und griff nach dem Koffer.
    Wogegen es in der Retrospektive nichts einzuwenden gab, denn der Zauber war stark, und ich beugte mich ganz weit vor, um auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen. Anstatt mich aufzuhalten, wurde der Bursche unter mir mitgezogen, wobei seine Füße ein rhythmisches Pochen auf den Schwellen verursachten.
    Bis eine sehr lebendige Hand meinen Oberschenkel dicht über der Schusswunde packte und mir der jähe Schmerz fast das Bewusstsein raubte. Ich zuckte heftig zusammen, und der angesengte Koffer sprang zum Boden, schlug hart auf und zog den Spartoi durch Schotter.
    Auch das hatte ich nicht geplant, aber ich hielt den Koffer unten, aus persönlicher Erfahrung wissend, wie scharfkantig die Steine waren – hier unten hatte es nie Regen gegeben, der in der Lage gewesen wäre, die scharfen Kanten zu glätten. Eine schwarze Schmutzschicht bedeckte die Steine, feiner als Sand, und der Körper des Spartoi wirbelte das elende Zeug auf. Es entstand eine dichte Wolke, die mir das Atmen erschwerte, und ich hörte, wie der Halbgott weiter unten hingebungsvoll fluchte.
    Er ließ trotzdem nicht los. Stattdessen stieß er sich vom Boden ab und versuchte, uns mit seinem Gewicht zu drehen, um es mir mit gleicher Münze heimzuzahlen. Vielleicht hätte das funktioniert, wenn wir nicht genau in diesem Moment mit einer Kurve konfrontiert worden wären, die wegen der schlechten Beleuchtung niemand von uns sah. Es kam zu einem Aufprall, den ich sehr deutlich spürte, und bei meinem Beifahrer knirschte etwas.
    Es klang beunruhigend befriedigend.
    Es war auch nutzlos, denn im nächsten Moment drehte er uns trotzdem, wobei er sich an der Wand abstützte, und anschließend machte er sich daran, von zwei verschiedenen Seiten des Koffers nach mir zu treten.
    »Stirb endlich, verdammt«, knurrte er, und ich sah sein Gesicht im schwachen Licht, das von weiter vorn kam.
    Ich hob den Kopf und bemerkte den Zug, der sehr langsam geworden war oder vielleicht sogar stand. Weder das eine noch das andere war derzeit sehr hilfreich.
    »Du zuerst«, knurrte ich zurück und drehte uns ein letztes Mal.
    Ein letztes Mal deshalb, weil wir eine Sekunde später gegen den letzten Waggon des Zuges prallten.
    Besser gesagt: Der Spartoi prallte dagegen.
    Da ich mich auf dem Koffer befand, flog ich durchs glaslose Rückfenster und rutschte im Innern des Waggons über den Boden, der bestrebt zu sein schien, mir die Haut vom Leib zu kratzen. Was vermutlich immer noch besser war, als gegen hartes Metall zu schmettern, auch wenn es sich im Moment nicht unbedingt so anfühlte.
    Nicht weit vor der Tür zum nächsten Waggon blieb ich liegen und rollte auf die Knie. Mein Körper verlangte eine Ruhepause, gern auch eine Ohnmacht, aber das Gehirn teilte ihm streng mit, dass er gefälligst die Klappe halten sollte. Trotzdem schien sich der Körper durchzusetzen, denn als ich aufzustehen versuchte, taumelte ich, verlor das Gleichgewicht und ging wieder zu Boden. Und nicht nur wegen Schmerz, Schwindel und dem stärker werdenden Wunsch zu kotzen.
    Mit meinen Füßen stimmte etwas nicht.
    Ich richtete den Blick müder Augen auf meine schmutzigen, blutigen Fußsohlen und die darinsteckenden Glassplitter, kleinen Steine und wer weiß was sonst noch. U-Bahn-Tunnel waren ganz offensichtlich nicht dazu bestimmt, barfuß in ihnen herumzulaufen.
    Ich bezweifelte plötzlich, dass ich gehen konnte, von laufen ganz zu schweigen.
    Und dann erschien der Kopf des Spartoi über

Weitere Kostenlose Bücher