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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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ließ. Bis zum großen Tag waren es noch anderthalb Wochen. Vielleicht konnte Augustine ein anderes Kleid für den Empfänger dieses Kunstwerks anfertigen.
    »Ming-duh«, las Francoise mühsam und verzog dabei das Gesicht. »Isch weiß nicht, wie man es richtig ausspricht.«
    »Was?« Ich griff selbst nach der kleinen Karte, starrte darauf und hoffte, dass sich Francoise bei der Aussprache geirrt hatte. Aber nein. Auf dem Etikett stand tatsächlich der Name des Oberhaupts des ostasiatischen Vampirhofs.
    Verdammt.
    »Aber… sie ist Chinesin«, sagte ich. »Warum sollte sie einen Kimono wollen?«
    Francoise zuckte auf reizend französische Art mit den Schultern.
    »Du wolltest ihn«, sagte sie. »Und sie auch Oberhaupt der japanischen Vampire ist, nicht wahr? Vielleicht es ist – wie sagt man - Diplomatie?«
    Mein Blick kehrte zum Kleid zurück, das erneut die Winterszene zeigte. Dabei war es nicht weniger wundervoll, trotz der relativen Kargheit. Die leeren schwarzen Zweige bildeten einen schönen Kontrast zum Rosarot der Seide. Auf einem von ihnen, der über die Brust reichte, saß ein Rotkehl-Hüttensänger und putzte sich das Gefieder.
    Der Kimono hatte eine fast schmerzvolle Schönheit, und Verzweiflung stieg in mir auf, denn was auch immer ich bei der Krönung tragen würde, hiermit konnte ich auf keinen Fall mithalten.
    Was mich nicht so sehr gestört hätte, wenn der Kimono an jemand anderen gegangen wäre. Aber Ming-de zählte nicht nur zu den mächtigsten Vampiren der Welt, sondern auch zu den Frauen, von denen ich vermutete, dass sie Mirceas Geliebte gewesen waren.
    Und als ob das noch nicht gereicht hätte: Sie war auch ein faszinierendes Porzellanpüppchen von einer Frau. Selbst wenn sie normale Kleidung trug, sah ich mit meinen einssechzig neben ihr amazonenhaft und ungeschlacht aus, mein rotblondes Haar wie ausgewaschen, kraftlos und gewöhnlich. Und dies …
    Na schön, es war offiziell: Mein Leben war scheiße.
    Frangoise bemerkte meinen Gesichtsausdruck und runzelte die Stirn. »Wir 'aben dein Kleid noch nicht gesehen«, gab sie zu bedenken. »Vielleicht ist es noch besser.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«
    »Das kannst du nicht wissen«, sagte sie ungeduldig, suchte bei den anderen Kleidern und ließ dabei eine Wolke aus bunter Magie aufsteigen.
    Es waren ziemlich viele Kleider – das Geschäft schien zu brummen –, und ich wusste nicht, wann Augustine vom Essen zurückkehrte. Also machte ich mich daran, Francoise zu helfen. »Ich bin aus mehreren Gründen hergekommen«, sagte ich, als wir ein Etikett nach dem anderen lasen.
    »Vraiment? Qu'est-ce que tu veux?«
    Ich erzählte ihr von den Ereignissen am vergangenen Abend.
    »Ich wollte fragen, was Pritkin gesagt hat«, beendete ich meinen Bericht. »Du bist eine Zeit lang im Feenland gewesen, nicht wahr?«
    »Zu lange«, erwiderte sie finster.
    Ich zögerte, denn es widerstrebte mir, alte Wunden aufzureißen.
    Frangoises Ausflug ins Feenland war nicht freiwillig gewesen. Zumindest in einer Hinsicht hatten die alten Legenden recht: Die Elfen waren nicht sehr fruchtbar, was angesichts ihrer Langlebigkeit eigentlich keine große Rolle spielen sollte. Doch die Elfen schienen das anders zu sehen, denn sie hatten nicht die geringsten Skrupel, Leute zu entfuhren, von denen sie sich ein wenig Hilfe bei Nachkommenschaft erhofften.
    Francoise blieb beim Thema. »Ich 'abe nur wenig vom Land der Lichtelfen gesehen, bevor ich entkam«, teilte sie mir mit. »Aber ich 'abe von ihnen gehört. Und den Hof der Dunkelelfen kenne ich gut.
    Und mir bekannt ist nicht ein einziger Fall von einem Elfen, der von jemandem Besitz ergriffen 'at.«
    »Mir auch nicht«, gestand ich. »Ich habe sie immer für Wesen aus Fleisch und Blut gehalten, so wie wir. Nun, mehr oder weniger.«
    »Das sind sie auch. Und es gibt keine Geister in ihrer Welt. Wie also sollte ihnen möglich sein das mit dem Besitzergreifen?«
    »Keine Ahnung. Aber Pritkin war unnachgiebig.«
    »Unnachgiebig? Wie meinst du das?«
    »Er war absolut sicher.«
    »Unnachgiebig.« Francoise schien die Silben auf der Zunge zu rollen. »Das Wort gefällt mir. Es gut klingt.«
    »Wie du meinst.« Ich sah mir ein Abendkleid aus scharlachroter Seide an, das etwas Seltsames anstellte – es hing einfach nur da. Ich stieß es an, aber nichts löste sich davon, und nichts verwandelte sich in etwas anderes. Entweder hatte Augustine noch keine Zeit gefunden, es mit einem Zauber auszustatten, oder es war für

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