Verlockend untot
streckte, um etwas aus den Regalen weiter hinten zu ziehen, sehr zur Freude des starrenden männlichen Publikums – sie entblößte sich nie. Doch die glotzenden Männer gaben die Hoffnung nicht auf. Und während sie hofften, kauften sie die kitschigen Touristensachen, über die sich Augustine zwar lustig machte, die in seinem Angebot aber nie fehlten.
Ich sah mir die T-Shirts an und fand eins, das eine fix und fertig aussehende Cartoon-Figur mit hervorstehenden Augen zeigte. Darunter stand:
Es gibt zu viel Blut in meinem Koffeinkreislauf.
Ich kaufte es für Pritkin, wohl wissend, dass er es nie tragen würde; ich wollte einfach nur sein Gesicht sehen.
Falls ich sein Gesicht wiedersah. Falls …
Mit einem Ruck nahm ich das T-Shirt vom Ständer und forderte mich auf, nicht blöd zu sein. Wenn es jemanden gab, der sich gut um sich selbst kümmern konnte, dann Pritkin. Und er kannte das Feenland besser als die meisten. Er kam bestimmt zurecht.
Er würde nicht zulassen, dass ihm etwas zustieß. Weil er wusste, dass ich ihm dann den Kopf abriss.
»Wenn du einen Moment Zeit hast… Ich könnte Hilfe gebrauchen«, sagte ich zu Francoise, als sie mir meine Kreditkarte zurückgab.
»'ilfe?«
»Ich muss mit dir reden. Und ich brauche ein Kleid.«
Sie warf mir einen Blick zu. »Du 'ast ein Kleid. Oder du 'ättest ein, wenn du kämst einmal zur Anprobe. Jeden Tag, den du nicht erscheinst, du lässt ihn dastehen wie einen …« Francoise winkte, als ihr kein passendes englisches Wort einfiel. »Salaud.«
»Wie ein Arschloch?«
»Das auch.«
Wir sprachen über Augustine und das Kleid, das er angeblich für meine Krönung entwarf. Angeblich deshalb, weil ich es bisher noch nicht gesehen hatte. Ebenso wenig war mir eine Zeichnung, eine Skizze oder dergleichen unter die Augen gekommen. Nur noch eine gute Woche trennte mich von der Zeremonie, und alles, was ich bisher von meinem Outfit erspäht hatte, war ein Haufen braunes Papier von der Art, wie man es für Muster verwendete.
Das machte mich angesichts meiner Erfahrungen mit Augustine ziemlich nervös. Ich musste ohne einen Stammbaum, ohne nennenswerte Ausbildung und mit nur geringen Fähigkeiten vor die Oberhäupter der magischen Welt treten und konnte es mir nicht leisten, auch noch mies auszusehen.
»Ich boykottiere ihn, bis er mir Details zeigt«, sagte ich.
»Du 'ast es noch nicht gesehen?«, fragte Francoise verwundert.
»Nein.«
»'ast du gefragt?«
»Natürlich. Aber er will mir das Kleid nicht zeigen. Er meint, ich würde den künstlerischen Entwicklungsprozess nicht verstehen, oder was in der Art. Jedenfalls, wenn er Gelegenheit bekommt, das verdammte Ding anzupassen … Dann bin ich vielleicht gezwungen, es zu tragen, ganz gleich, wies aussieht…«
»Augustine ist ein guter Designer«, protestierte Francoise.
»Und er hasst mich. Das weißt du ja.«
Francoise widersprach nicht. Sie schürzte nur die Lippen und verdrehte die Augen, und weil sie Französin war, sah sie dabei sexy aus. Ein Bursche in der Nähe stöhnte.
»Wenn du es siehst, du vielleicht änderst deine Meinung«, sagte sie.
»Mag sein. Kannst du ihn für mich fragen?«
»Ich glaube, das nichts nützt«, sagte Francoise nachdenklich. »Er sehr eigen ist mit seinen Entwürfen.«
»Aber?«, hakte ich nach, weil mir ihr Tonfall ein Aber verriet.
»Aber derzeit ist er essen …«
»Und?«
Francoise nahm etwas aus einer Schublade und ließ es vor meinen Augen baumeln. »Und ich 'abe die Schlüssel.«
Sie winkte eine der anderen Schönheiten herbei, um sich vertreten zu lassen, und in weniger als einer Minute waren wir am hinteren Tresen vorbei und im Anprobe-Zimmer, wo ich stehen blieb, weil ich mit meinen Schatten fertigwerden musste. Die beiden goldäugigen Vampire hatten den ganzen Morgen in meiner Nähe herumgelungert und versucht, ein Teil der Szenerie zu sein. Was ihnen nicht besonders gut gelang. Alle anderen trugen Shirts und T-Shirts, wegen der weit über dreißig Grad draußen, und diese beiden Typen sahen aus wie die Men in Black.
Trotzdem gab es eine Art Waffenstillstand zwischen uns: Ich tat so, als bemerkte ich sie nicht, und sie rückten mir nicht zu dicht auf die Pelle. Aber jetzt war das Maß voll. »Hinaus«, wies ich sie an.
»Zuerst müssen wir hier alles überprüfen.«
»Dann werft einen Blick hinein und verschwindet.«
»Warum?«, fragte einer von ihnen. Er gehörte zu den Neuen; seinen Namen kannte ich nicht. »Was haben Sie hier drin vor?«
Ich sah ihn an
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