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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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Leute am liebsten tot gesehen hätten? Warum hatte sie mich empfangen?
    Warum war sie gestorben und hatte mich dadurch allein beim verdammten Tony zurückgelassen?
    Hatte sie mich jemals geliebt?
    »Lass mich los«, sagte ich mit schwankender Stimme. Mircea gab mich frei, und ich wich von ihm fort, weil ich Bewegungsspielraum brauchte und Luft zum Atmen.
    Ich schlang die Arme um mich selbst, blickte durch den großen Raum und fühlte einen fast körperlichen Schmerz. Das Haar meiner Mutter war dunkel, wie auf dem Foto, aber nicht braun. Das Licht fiel jetzt darauf, und ich sah, dass es wie Bronze glänzte. Es war ein ganz besonderer Farbton, so einzigartig und eindrucksvoll wie ihre saphirblauen Augen.
    Ich fragte mich, ob die roten Strähnen in meinem Haar daher kamen, ob sie vielleicht in der Familie lagen. Ich fragte mich, ob ich eine Familie hatte, entfernte Cousins oder so. Darüber hatte ich nie nachgedacht, vielleicht deshalb nicht, weil ich bei Leuten aufgewachsen war, die nie über ihre entfernten Verwandten sprachen.
    Normalerweise verhielten sich Vampire so, als finge ihr Leben mit der Verwandlung an, anstatt damit aufzuhören. In gewisser Weise stimmte das auch. Viele Meister veränderten jemanden, weil die betreffende Person über eine Fähigkeit verfügte, die sie brauchten, über besondere Eigenschaften und Stärken, oder vielleicht auch Reichtum, aber auf die menschliche Familie hatten sie es nie abgesehen. Nur wenige waren bereit, auch einige Midäufer zu verwandeln, die keinen Zweck erfüllten und sogar gefährlich sein konnten, wenn man bedachte, dass ein Meister für die Taten seiner Kinder verantwortlich war.
    Die meisten Familien blieben also zurück, wenn ein Baby-Vampir Mitglied seines oder ihres neuen Clans wurde. Nach einer Weile vergeudete man vermutlich keine Gedanken mehr an Leute, die längst tot waren und mit denen man ohnehin kaum etwas gemeinsam hatte. Nach einer Weile vermisste man sie wahrscheinlich nicht mehr.
    Ich bezweifelte allerdings, dass ich so lange leben würde.
    »Auch meine Mutter war sehr schön.«
    Ich war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass ich erst nach einigen Sekunden begriff, von wem die Worte stammten: von Mircea.
    Und dann brauchte ich noch den einen oder anderen Moment, um zu verstehen, was sie bedeuteten.
»Deine
Mutter?«
    Er lächelte matt. »Du scheinst überrascht zu sein.«
    »Es ist nur… du hast sie nie erwähnt.« Eigentlich hatte ich nie daran gedacht, dass Mircea eine Mutter hatte. Was natürlich dumm war, denn er musste eine haben. Doch aus irgendeinem Grund hatte ich ihn mir nie als Jungen vorgestellt.
    Es fiel mir jetzt überraschend leicht.
    Das mahagonifarbene Haar wies leichte Wellen auf, die vielleicht einmal Locken gewesen waren. Die bei einem Erwachsenen so sinnlich wirkenden geschwungenen Lippen waren damals vermutlich ein Amorbogen gewesen. Und die dunklen, ausdrucksvollen Augen mussten im Gesicht eines Kinds unwiderstehlich gewesen sein.
    »Ich wette, du bist mit allem durchgekommen«, sagte ich, und er lachte.
    »Ganz und gar nicht. Meine Eltern waren sehr streng.«
    »Das kann ich kaum glauben.« Ich versuchte, mit Mircea streng zu sein, ich gab mir wirklich Mühe, aber es klappte nie. Und ich konnte mir kaum vorstellen, dass jemand anders mehr Glück hatte.
    »Es ist die Wahrheit«, sagte er. Wir nahmen auf Stühlen an der Wand Platz. Ich war so aufgedreht und kribbelig, dass ich nur wenige Sekunden auf meinem sitzen blieb.
    Mircea wollte ebenfalls aufstehen, als ich mich erhob, aber ich schob ihn auf den Stuhl zurück. »Ein Gentleman sitzt nicht, wenn eine Lady steht«, mahnte er.
    Ich drückte ihm das Knie aufs Bein. »Und wenn die Lady darauf beharrt?«
    »Hm. Ein Dilemma.« Eine starke Hand ergriff meinen Oberschenkel durch die Seide. »Ein Gentleman geht immer auf die Wünsche einer Lady ein.«
    »Immer?« Das konnte praktisch sein.
    Mircea lachte und küsste meine Hand. »Leider bin ich nicht immer ein Gentleman.«
    »Passt schon«, sagte ich und zog ihm die Klammer aus dem Haar.
    Eine samtene Woge fiel auf seine Schultern. Er sah zu mir hoch, mit dem Funkeln eines Lächelns in den dunklen Augen. Sein Haar hatte es mir immer angetan, und das wusste er, obwohl wir nicht darüber sprachen.
    Es fühlte sich wie kühle braune Seide an, die mir über die Finger strich. Und wie immer war es sehr angenehm, ihn zu berühren. Es war irgendwie … richtig und beruhigend. Und unter den gegenwärtigen Umständen konnte ich ein wenig

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