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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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aufgaben, sich umdrehten, wankten, taumelten und liefen – direkt auf uns zu.
    Für eine Sekunde dachte ich, dass sie uns vielleicht für Feinde hielten und beschlossen hatten, uns zu erledigen, bevor sie die Verfolgung meiner Mutter fortsetzten. Aber sie sahen uns nicht einmal an. Sie schienen kaum etwas zu sehen, obwohl sie die Augen weit aufgerissen hatten, und stießen bei ihrer Hast, das Ende der Gasse möglichst schnell zu erreichen, immer wieder gegeneinander.
    Nie zuvor hatte ich Magier gesehen, die so unprofessionell wirkten – und so erschrocken. Ich blickte an ihnen vorbei, konnte jedoch nicht den Grund für ihre Panik erkennen. Nichts regte sich dort hinten, nicht einmal eine Ratte im Müll. Doch etwas hatte die Magier so sehr entsetzt, dass sie Hals über Kopf flohen.
    Und dann stürmten sie an uns vorbei, und einer von ihnen stieß mich grob zur Seite. Ich prallte mit solcher Wucht gegen die Mauer, dass mir der Atem wegblieb, und Mircea versetzte dem Magier einen wie beiläufig wirkenden Hieb, der ihn durch die Gasse bis zur Straße fliegen ließ. Erstaunlicherweise versuchte der Mann nicht einmal, es Mircea heimzuzahlen. Er rappelte sich einfach wieder auf, so schnell er konnte, lief und geriet hinter dem nächsten Gebäude außer Sicht.
    Ich sah ihm verwundert nach, schüttelte den Kopf und machte mich in die andere Richtung auf, dazu entschlossen, die dünne Verbindung mit meiner Mutter nicht abreißen zu lassen. Doch Mircea riss mich zurück. Ich fragte ihn nicht nach dem Grund, weil ich noch immer unter Atemnot litt und nicht sprechen konnte. Und weil ich ihn gut genug kannte, um zu wissen, dass er mich nicht ohne Grund festhielt.
    Und weil etwas, das wie ein abgebrochenes Stück der Nacht aussah, auf uns zugeflogen kam.
    Wie Wasser strömte es an den Seiten der Gasse entlang, machte rote Ziegelsteine grau und brüchig und hinterließ einen hellen Streifen an der Mauer, wie eine Hochwasserlinie. Müll schrumpelte wie verfaulendes Obst und zerfiel zu Staub. Das dunkle Etwas fraß sich durchs Holz einer Regentonne, und schmutziges Regenwasser spritzte plötzlich über den Gassenboden.
    Das alles geschah innerhalb weniger Sekunden.
    Ich starrte auf den Pfad der Zerstörung und wusste, was ich sah, konnte es aber nicht recht glauben. Das war keine Zeitblase, sondern eine Zeitwelle. Und sie hatte gerade den vierten Magier erreicht.
    Ich bemerkte ihn erst, als sein Tarnzauber wie tropfende Farbe schmolz und Teile von ihm zeigte, während er durch den Müll auf dem Boden kroch. Er versuchte noch immer zu fliehen, was aber nicht besonders gut klappte. Mehrmals stolperte er über die eigenen Füße, stand auf, taumelte einige Schritte und fiel wieder. Bis er plötzlich verharrte, den Kopf hob und schrie.
    Plötzlich war ich dankbar dafür, dass es nur wenig Licht gab und er im Schatten lag, dass mir Einzelheiten erspart blieben. Denn was ich sah, war schlimm genug.
    Das Haar des Magiers bekam graue Strähnen, wurde dann ganz grau und schließlich weiß, während er gleichzeitig wuchs, über die Schultern hinweg bis zum Pflaster, wo es durch den Dreck strich.
    Der Körper unter dem langen Ledermantel bewegte sich sonderbar, bebte und zuckte, obgleich die Hände wie festgeklebt am Boden verharrten. Und dann fraß sich die schwarze Woge durch den Mantel, löste ihn wie in Säure getaucht auf, und was sich darunter befand…
    »Sieh nicht hin«, sagte Mircea scharf und zog mich zurück.
    Aber ich konnte nicht den Blick davon abwenden. Haut wurde dunkel und löste sich in Fladen, Muskeln schrumpften und verfärbten sich. Fingernägel wurden lang wie Krallen, und mit einem Platschen fiel etwas auf den Boden, das nach einer durcheinandergeratenen grauen Seilrolle aussah – Übelkeit stieg in mir auf, als ich begriff, dass es sich um die Gedärme des Magiers handelte. Erneut kam der Kopf nach oben, und der Mund klappte auf, aber diesmal löste sich kein Schrei daraus.
    Nein, natürlich nicht,
dachte ich benommen.
    Ohne Stimmbänder konnte man kaum schreien.
    Und dann fiel die Lähmung von mir ab, und wir rannten zur Straße zurück, die schwarze Woge dicht hinter uns. Mircea warf uns aufs Kopfsteinpflaster und rollte uns unmittelbar darauf mit einer schnellen Bewegung zur nächsten Gebäudewand. Dort verharrte ich, die Finger in die Lücken zwischen den kalten Steinen gekrallt, als die Schwärze an uns vorbeiwallte.
    Ich sah sie noch immer nur als eine vage Verzerrung vor dem dunklen Hintergrund der Nacht. Aber

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