Verlockend wie ein Dämon
die Münzen.
Sie sah auf ihre Uhr. Noch sechs Stunden. Ihr Treffen mit Malumos war für sieben Uhr abends angesetzt. Sie hatte einen Plan, der, wie sie hoffte, funktionieren würde. Alles war vorbereitet. Was sie nun noch zu tun hatte, war, diese sechs Stunden Vorsprung vor Brian zu halten. Anschließend war ihr Albtraum vorbei. So oder so.
Das iPhone summte wieder, und Lenas Pulsschlag beschleunigte sich erwartungsvoll.
Aber es war Kiyoko.
»Hi«, sagte Lena.
»Ich habe gehört, dass du die Judas-Münzen gegen Heathers Leben eintauschen willst.«
Lena erstarrte. Brian.
Verdammt noch mal.
»Ja.«
»Bist du übergeschnappt?«
»Nein, nur verzweifelt.«
»Ich schätze dich sehr, Lena. Das weißt du. Unter anderen Umständen hätte ich dich liebend gern dabei unterstützt, deine Enkelin zurückzuholen. Aber eine dunkle Reliquie Satan in die Hände zu spielen? Da mache ich nicht mit.«
Die Worte der Japanerin klangen freundlich, aber bestimmt.
Kiyoko blickte auf schmerzliche Erfahrungen mit Dämonen zurück, und sie konnte das gegenwärtige Chaos in der Welt besser als die meisten anderen einordnen. Lena wusste, dass die Chancen, Kiyoko umzustimmen, gering bis nicht vorhanden waren, doch sie sagte: »Heather ist vollkommen unschuldig an alldem. Bitte mach jetzt keinen Rückzieher. Bestraf mich, nicht sie.«
Kiyoko seufzte. »Es tut mir leid, Lena. Du bist allein.«
Dann war die Leitung tot.
Lena fühlte sich, als wäre sie gerade zum zweiten Mal gestorben. Selbst wenn es ihr wunderbarerweise gelang, Heather zu befreien – ohne eine Möglichkeit, das Mädchen vor den Dämonen zu verstecken, würde diese Freiheit nur vorübergehend sein. Für sie beide. Lena sah aus dem Fenster des Taxis, während sie das Handy wieder in ihre Handtasche steckte. Sie fuhren gerade direkt auf ein schickes Hotel nur ein paar Blocks vom Bauernmarkt entfernt zu.
Genau der richtige Ort, den sie für Phase Eins ihres Plans brauchte.
»Fahren Sie hier rechts ran«, sagte sie zu dem Taxifahrer. »Ich muss ein Zimmer reservieren. Warten Sie auf mich.«
Brian lief die Zeit davon.
In den letzten beiden Tagen hatte er alles in seiner Macht Stehende getan, um Lena aufzuspüren – ohne Erfolg. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Er sperrte die Tür zur Bibliothek ab. MacGregor hatte versucht, ihm seinen irrwitzigen Plan auszureden, und ihn gewarnt, dass er auch nach hinten losgehen könnte. Die Möglichkeit bestand tatsächlich. Aber es gab etwas, das für Brian arbeitete. Etwas, das MacGregor nicht hatte.
Die Herrin des Todes mochte ihn.
Okay, wahrscheinlich war es keine echte Zuneigung. Es war eher, als stünde dahinter ein höheres Ziel, das sie nicht preisgab. Aber sie hatte seinen Hintern öfter gerettet, als er zählen konnte. Und mit ein bisschen Glück würde sie es heute wieder tun.
Er suchte sich einen Platz mitten im Raum, stellte die Füße fest auf den Boden und intonierte den Vorladungsgesang. Leider lenkte ihn das leise Ticken der Uhr auf dem Kaminsims ab, und er versprach sich. Er holte noch einmal tief Luft, verdrängte den Gedanken an einen erneuten Fehlschlag und murmelte nochmals die Formel.
Einen Augenblick später, ohne dass er recht wusste, wie, erschien ein graugesichtiger Ghul neben ihm und blinzelte ihn aus milchweißen Augen an.
»Ich bitte um eine Audienz«, sagte Brian. Dann fügte er hinzu, da er wusste, wie kapriziös und gerissen die Herrin des Todes sein konnte: »Sofort.«
Ihr knochiger Leibwächter starrte Brian lange schweigend an, dann nickte er abrupt und verschwand.
Bevor er noch darüber nachdenken konnte, wo die Kreatur abgeblieben war, wurde er durch die eisigen Schranken von Zeit und Raum in die nebligen Höhlen der Antarktis gerissen, die die Herrin des Todes ihr Zuhause nannte. Jedenfalls schloss er, dass er dort gelandet war, aus der eiskalten Luft, die in seine Lungen stach. Es dauerte einen Moment, bis der Frost auf seinen Lidern so weit geschmolzen war, dass er die Augen öffnen konnte.
»Ich hoffe, du hast einen guten Grund für diese Störung, Wächter.«
Brian fuhr herum. Ihre Majestät saß auf ihrem Onyxthron, gehüllt in schwarzen Satin, die weißen Lockenmassen auf dem Kopf aufgetürmt wie beim Debütantenball. In ihrem Rücken glänzten eisblaue Wände im flackernden Gold von tausend Teelichten.
»Ich brauche Eure Hilfe«, begann er.
Ihr spöttisches Lachen perlte von den Eiswänden ab. »Bist du verrückt? Du hast fast zwei Wochen lang kreuz und quer auf dem
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