Verlockend wie ein Dämon
Lena ist, oder die Information ist wertlos.«
»Die Übergabe der Münzen steht unmittelbar bevor?«
»Ja.«
Die Herrin des Todes tippte mit dem langen weißen Nagel ihres rechten Zeigefingers an ihre Lippe. »Wie ungünstig. Die Scherbe ist das Einzige, woran ich interessiert bin. Es sieht so aus, als könnten wir nicht handelseinig werden.«
»Was habt Ihr damit vor?«
Ihre Augen verengten sich abermals. »Du erwartest doch nicht, dass ich dir darauf eine Antwort gebe.«
Nein, er erwartete es nicht. Aber er hoffte es. Es würde diese Entscheidung sehr vereinfachen. »Was, wenn ich verspreche, sie Euch später zu bringen?«
Sie feixte. »Ich habe es schon zu oft erlebt, dass mir Menschen Versprechungen machten, wenn sie mein Mal auf ihrer Wange entdeckten – nur um dann ihr Wort zu brechen. Ich habe kein großes Vertrauen in diese Art der Verhandlung. Blutschwüre sind eher mein Fall.«
»Okay«, sagte er vorsichtig. »Welchen Blutschwur soll ich leisten?«
»Es ist ganz einfach. Du schwörst mir, die Scherbe zu bringen, oder du wirst die Todesstrafe erleiden.«
Er runzelte die Stirn. »Ich bin doch schon tot.«
Ihr Feixen wurde zu einem breiten Lächeln. Es war ein kaltes, berechnendes Lächeln. »Wie wahr. Was bedeutet, dass alles, was du anbieten kannst, weitere fünfhundert Jahre in meinen Diensten sind.«
Brians Herz hämmerte. Eine zweite Dienstzeit unter der Herrin des Todes, wenn er ihr nicht die Scherbe bringen konnte. Das war doch mal ein Hochrisikogeschäft. Aber wenn er nicht darauf einging, würde er Lena verlieren … und die Münzen. Sie waren seine große Hoffnung, Satan davon abzuhalten, seine Macht zu mehren. Er saß in der Klemme, und die Herrin des Todes wusste das.
Plötzlich hatte er viel mehr Respekt vor Murdoch.
»Im Austausch gegen die Information, wo sich Lena in dieser Sekunde aufhält, schwöre ich, Euch ein Stück von Luzifers Glorienschein zu bringen oder die Strafe einer zweiten Dienstzeit abzubüßen.«
»Ich akzeptiere.«
Ihre Majestät zeigte mit ihrem langen weißen Fingernagel auf die kleine Holztruhe, die zu Füßen ihres Throns stand. Sie benutzte sie als Schemel. Der Deckel öffnete sich knarrend, und eine kleine leuchtende Kugel wurde sichtbar. Ihre goldene Farbe war so intensiv, dass sie blendete. Die Herrin des Todes öffnete die Hand und bedeutete der Kugel, sich zu erheben. Und das tat sie. Sie schwebte quer durch den Raum und landete weich auf ihrer Handfläche.
Ihre Majestät wandte sich wieder zu der eisigen Landkarte um.
Als sie die Kugel vor der Karte hochhielt, erschien ein kleiner roter Punkt auf dem Straßengitter. Die Karte zoomte heran, bis das Bild so hochauflösend wie ein Satellitenfoto war. Der rote Punkt ruhte hell auf einem modernen Hochhaus.
»Sie fährt gerade in einem ziemlich hübschen Hotel am La Cienega Boulevard mit dem Aufzug. Nicht die Art Haus, in der sie üblicherweise absteigt – ich glaube, du hast einen schlechten Einfluss auf sie, Webster.« Offenbar in großherziger Stimmung fragte sie: »Wärest du jetzt gern bei ihr?«
»Nicht im Aufzug«, antwortete Brian hastig. Lena durfte nicht wissen, dass er sie gefunden hatte. Nicht, bis er genau wusste, was sie vorhatte. »Aber sobald sie in ihrem Zimmer ist, könntet Ihr mich im Flur davor absetzen.«
Ein Hotelzimmer war ein schlechter Ort für eine Übergabe. Draußen, im Freien, wo sich jeder dank der Passanten ein wenig unbehaglich fühlte, war es normalerweise am besten.
»Könnt Ihr mir sagen, was sie gerade tut?«, fragte er.
Die Herrin des Todes seufzte. »Gib ihm den kleinen Finger, und er wird dir den ganzen Arm ausreißen.«
Sie hielt die goldene Kugel ein zweites Mal hoch und murmelte etwas Unverständliches.
Die Karte verschwand und wurde durch das ein wenig unscharfe Bild eines luxuriösen Hotelzimmers ersetzt – die Art Zimmer, die Brian mit Freuden bewohnen würde. Das Bild stand nicht still, es hüpfte und schwankte. Er brauchte einen Moment, um herauszufinden, warum.
»Sehen wir das aus Lenas Perspektive?«
»Ja.«
Lena öffnete die Schranktür und ging vor einem kleinen Zimmersafe in die Hocke. Sie griff in ihre Handtasche, holte ein kleines Samtsäckchen heraus und nestelte den Kordelzug auf. Dann streifte sie einen Plastikhandschuh über, zählte sechs Münzen heraus und legte sie in den Safe. Anschließend schloss sie die Safetür und stand auf.
»Wenn ich so darüber nachdenke«, ließ sich Brian wieder hören, »setzt mich lieber in dem
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