Verlockend wie ein Dämon
Zeit gegeben, ihre Haltung zurückzugewinnen. Der Schock war vorüber. An seine Stelle war die alte Ausdruckslosigkeit getreten.
»Mein Sexleben geht dich nichts an.« Sie trat an den Tisch, rückte einen Stuhl zurecht und setzte sich. »Deine Sprache ist ziemlich unerträglich. Kannst du kein Gespräch führen, ohne Kraftwörter zu benutzen?«
Kraftwörter?
Er ließ sich auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder und nahm seine Gabel in die Hand. Benutzte überhaupt noch jemand diesen Ausdruck? »Natürlich kann ich das. Das mache ich oft genug. Wann bist
du
denn auf die Welt gekommen?«
Sie goss Sirup über ihren Pfannkuchen. »Spielt das eine Rolle?«
»Hey, komm schon. Ich führe gerade ein Gespräch ohne Kraftwörter. Das Mindeste, was du tun kannst, ist, daran teilzunehmen.«
»Achtzehnhundertdreiundsiebzig.«
»Ach, du Scheiße.« Auf ihren Gesichtsausdruck hin verbesserte er sich: »Sorry. Ich meine: Ach, du glaubst es nicht.«
Es war ihm bisher nie in den Sinn gekommen, dass sie aus einem anderen Jahrhundert stammen könnte. Ihr körperliches Alter war wie seines auf immer und ewig zum Zeitpunkt ihres Todes eingefroren, und da sie in etwa gleich alt zu sein schienen, hatte er angenommen …
»Dann bist du ja 106 Jahre älter als ich.«
Sie lächelte. »Vergiss das nie.«
Er forschte in ihrem Gesicht nach einem Beleg für ihr Alter, aber der einzige Hinweis auf eine harte Lebenserfahrung war der argwöhnische Ausdruck in ihren Augen. Er verschwand nie ganz, selbst wenn sie lächelte. Brian verspürte den unvernünftigen Drang, ihn zu vertreiben, und sei es auch nur für einen Moment. »Ich wette, du hast ein paar tolle Geschichten zu erzählen.«
Das Lächeln erstarb. »Eigentlich nicht.«
Okay, dann eben ein paar nicht ganz so tolle Geschichten. Er nahm einen erneuten Anlauf. »Du hast einen leichten Akzent, aber ich kann ihn nicht einordnen. Kommst du aus England?«
»Nein.«
Brian hätte sich am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Er wusste doch, dass man sich vor geschlossenen Fragen hüten sollte. »Ich bin in Brick, New Jersey, geboren, in einem kleinen Nachkriegshaus wie diesem hier. Meine Eltern leben noch immer dort. Wie ist es bei dir? Wie ist es dort, wo du herkommst?«
»Anders.« Sie nahm ihren Teller und stand auf. »Bist du fertig?«
Sein Pfannkuchen war noch unberührt. »Nein.«
Er sah sich mit zwei Möglichkeiten konfrontiert: das Gespräch fortzusetzen oder den Pfannkuchen zu essen und damit zu vermeiden, Lena zu kränken. Er entschied sich für Letzteres, er aß. Als er fertig war, trug er seinen Teller zur Spüle, wo Lena schon das Geschirr wusch. Er stellte den Teller ins Spülwasser, ergriff dann ein Geschirrtuch und trocknete die Teller auf dem Abtropfgestell ab. »Hast du Lust, mich ein bisschen herumzuführen, während wir warten?«
»Nein.«
Er seufzte. »Dann lass es mich anders ausdrücken, damit wir beide wissen, wie das hier funktioniert: Während wir auf Mr FedEx warten, wirst du mir das Haus zeigen.«
Die Hände tief ins heiße Wasser getaucht, schrubbte sie die benutzte Pfanne. »Und wenn ich mich weigere, was passiert dann?«
Der Dampf brachte ihn um den Verstand. Ein Blick auf ihre geröteten Wangen, den feuchten Haaransatz und die vielen kleinen Locken, die ihre Stirn umkringelten, und seine Entschlossenheit, sie in Ruhe zu lassen, war nur mehr eine nebulöse Erinnerung.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, sagte er ruhig. »Versuch’s.«
Lena stand wie zur Salzsäule erstarrt da.
Es war erstaunlich verlockend, sich zu weigern. Von dem Augenblick an, als er ihr kleines Haus betreten hatte, hatte er sie mit einer wirksamen Mischung aus Intelligenz, Humor und sexueller Anziehungskraft belagert. Er unternahm absolut keinen Versuch zu verbergen, dass er sich von ihr angezogen fühlte.
Und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.
Zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort hätte sie ihn liebend gern bis zum Äußersten gereizt. Aber der Ablauf ihrer Frist rückte näher, die Münzen waren noch immer in alle Winde zerstreut, und Heather schwebte in großer Gefahr. Dies war also nicht der geeignete Moment, sich in eine Affäre zu stürzen, gleichgültig, wie stark und symbiotisch die Anziehungskraft war. Egal, wie spektakulär das Feuerwerk wäre. Egal, wie heiß das Blut durch ihre Adern wallte oder wie sehr ihre Haut nach seiner Berührung gierte.
Bedauerlicherweise würde sie ihn durch ihr Haus führen … und auf ewig
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