Verlockende Versuchung
Taverne trat.
Der Schankraum war klein und eng, die Stimmung laut und aufgebracht, die Sprache derb. Männer drängten sich dicht an langen Tischen zusammen. An einem nahm auch Sebastian Platz.
Eine stämmige Bedienung mit strohfarbenem Haar baute sich sogleich vor ihm auf. »Du bist wohl neu hier? « Sie gab ihm nicht einmal die Möglichkeit zu antworten, sondern fuhr mit einem Finger seinen Ärmel entlang. »Wie heißt du? «
»Patrick«, antwortete er, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Schön, Patrick, ich bin Bridget. Was willst du haben?«
»Ale.«
Ein kräftiger, bärtiger Mann ihm gegenüber ließ seinen Humpen auf den Tisch knallen. »Verflucht noch mal, was is' mit mir? « , bellte er. »Muss man sich sein Bier hier selbst holen, oder was? «
»Beruhig dich, Davey. Ich komm j a schon.«
»Gut«, donnerte er. »Wo zum Teufel is' Devon?«
Jede Faser von Sebastians Körpers befand sich in Aufruhr.
Der Kerl neben ihm zuckte die Schultern. »Hab sie schon seit Tagen nich' mehr gesehen. Timmie glaubt, sie denkt, sie is' zu gut für unsereins.« Dann winkte er dem Schankwirt zu, einem bulligen Mann, dessen sanftmütiger Name weder seinem Namen noch seinem Umfang gerecht wurde. »Er sagt, dass morgen 'ne Neue anfangen wird. Hoffen wir nur, dass sie auch nur halb so hübsch is' wie uns're Devon, nich'?« Er blinzelte dem anderen zu.
Sebastian. schäumte vor Wut. Inzwischen hatte Bridget das Ale vor ihn gestellt, und er nahm eilig einen Schluck. Als er den Humpen wieder abgesetzt hatte, war sie bereits auf dem Weg zurück zum Schanktisch. Einer der Gäste am anderen Ende des Tisches griff nach ihrem Rock und zog sie auf seinen Schoß, wobei ihr die vollen Brüste beinahe aus dem engen Oberteil herausgequollen wären.
Der Mann j auchzte. »Na, das is' aber 'n saftiger Leckerbissen, nich' Jungs!«
Schallend lachte das Mädchen, und die beiden fielen auf den Boden. Er flüsterte ihr ins Ohr und drückte ihr etwas in die Hand, woraufhin sie nickte.
Sebastian knallte eine Münze auf den Tisch und stand auf. Es gab keinen Grund, länger zu bleiben. Er hatte alles gesehen, was er wissen musste.
Draußen machte er sich j edoch nicht auf den Weg zu der Stelle, an der er Jimmy, den Kutscher, zurückgelassen hatte. Stattdessen drehte er sich um und wagte sich tiefer in das Herz von St. Giles vor.
Seine Mission war noch nicht beendet.
Sebastian kehrte ungebührlich spät nach Mayfair zurück. Als er über die Türschwelle schritt, kam ihm in den Sinn, dass auch sein Bruder bald eintreffen müsste.
Und so war es auch.
Sie begegneten sich in der Eingangshalle.
»Sebastian?« Die Stimme seines Bruders klang schockiert. Justin blickte ihn von oben bis unten abschätzend an. »Was zum Teufel trägst du nur? «
Mit einem süffisanten Lächeln zog sich Sebastian die grobe Wollmütze vom Kopf. »Mein Name ist Patrick«, bemerkte er in seinem besten schottischen Akzent, »und ich bin ein Matrose aus dem Norden.«
»Wäre ich dir auf der Straße begegnet, hätte ich dich niemals erkannt! «
»Ähnlich erging es mir, als ich dieses Kostüm vor einigen Jahren beim Maskenball der Pembertons trug«, sagte Sebastian. »Nicht nur unser Hausgast ist ein Meister der Verkleidung. «
»Ach, sie ist der Grund ... « Justin zögerte, und im nächsten Augenblick rümpfte er die Nase. Er trat einen Schritt zurück und verzog seinen Mund zu einer Grimasse. »Herrgott«, presste er hervor. »Du stinkst nach Ale. Und Rauch. Sag mir ni cht, dass du in St. Giles warst! «
Doch Sebastian war bereits auf dem Weg in sein Arbeitszimmer und überging den anklagenden Tonfall in der der Stimme seines Bruders. »Wie du möchtest. Dann sage ich es dir eben nicht. «
Justin folgte ihm auf dem Fuß. »Verdammt noch mal«, fluchte er. »Ich habe dir erzählt, dass ich Avery losgeschickt hatte, um Devons Geschichte zu überprüfen. Hast du mir nicht geglaubt? «
Eine Hand an der Brandykaraffe, griff Sebastian mit der anderen nach einem Glas. »Darum ging es nicht«, sagte er kurz angebunden.
»Worum dann? War sie es, der du nicht geglaubt hast? Avery? Oder mir? Oder uns allen?«
Das war es nicht«, entgegnete Sebastian schweren Herzens. Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Nach einem kurzen Moment fuhr er in leiserem Tonfall fort: »Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Ich musste.« Es herrschte Totenstille, während er das Glas an seine Lippen führte.
Justin nahm in einem Sessel ihm gegenüber Platz.
Als Sebastian sich
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