Verlockende Versuchung
verwirrt gefragt. Bridget hatte die Schultern gezuckt und munter geantwortet, dass Männer nun einmal so seien. Während ihrer ganzen Zeit im Crow's Nest hatte sich Devon nicht an das anzügliche Grinsen der Gäste gewöhnen können und wusste, dass ihr es auch niemals gelingen würde.
Die Aussicht, jemals wieder dort arbeiten zu müssen, ließ Devon erschaudern. Sie war entschlossen, dies zu verhindern, koste es, was es wolle. Es musste einen Weg geben, den sie nur noch zu finden hatte. Wunder können wahr werden, sagte sie sich beherzt. Dass sie überhaupt hier in Mayfair war, war Beweis genug.
An jedem Morgen, an dem sie in diesem wunderschönen, sonnendurchfluteten Zimmer aufwachte, musste Devon sich erst daran erinnern, wo sie sich befand: in einem prächtigen Haus in einer der nobelsten Gegenden Londons und nicht in einer Traumwelt, die eine drängende Sehnsucht in ihr heraufbeschworen hatte, von der sie bisher nichts geahnt hatte. Ach, es wäre so einfach, sich an ein derartiges Leben zu gewöhnen! Frühstück im Bett, den Tee am Tisch vor dem Fenster einnehmen, die Beine in eine Decke gewickelt, Abendessen vor dem hellen, lodernden Feuer und eine Wärmepfanne für die Nacht - so stellte s ie sich das Paradies vor! Kein Hunger und keine nagenden Sorgen, noch den letzten Penny für die Miete zusammenkratzen zu müssen.
Beharrlich ermahnte sich Devon, dieses luxuriöse Leben nicht zu sehr zu verinnerlichen, und hoffte inständig, dass Sebastian sie hier wohnen ließe, bis sie eine Anstellung in einem Haus wie diesem fand. Sie würde unablässig und hart arbeiten, solange sie nicht wieder nach St. Giles zurück musste.
Während ihre Tage mit hoffnungsvollen Wunschvorstellungen und Träumereien angefüllt waren, erwiesen sich die Nächte hingegen als beschwerlich. Sobald es in ihrem Schlafgemach ruhig wurde, und sie allein war, begann sich eine verzweifelte Niedergeschlagenheit in ihr auszubreiten.
Niemals würde sie die schrecklichen Bilder vergessen.
Durch Eure Hand, hatte Sebastian gesagt.
Sie hatte Freddie auf dem Gewissen, sie hatte einen Mann getötet! Die Vorstellung zerriss ihr beinahe das Herz.
Eines Nachts lag Devon im Bett und versuchte, sich keine Gedanken mehr zu machen und den fürchterlichen Abend zu vergessen, an dem sie den beiden Halunken Freddie und Harry begegnet war. Sie wälzte sich stundenlang hin und her und setzte alles daran, den Schwall an heißen Tränen zurückzudrängen, was ihr jedoch nicht gelang. Vielleicht war es unausweichlich, dass ihr Sebastian in den Sinn kam, der Tansys Aussage zufolge ausgegangen war.
Wenn sie nur wüsste, was sie von ihm halten sollte 1 Jeden Tag kam er und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Stets makellos gekleidet und von einer beispiellosen Höflichkeit. Sein Anblick ließ sie regelmäßig zusammenfahren, und sein würdevolles Auftreten verschlug ihr den Atem.
Erst vor ein paar Tage n hatte sie im Bett gelegen, als Tansy das Zimmer aufräumte. Devon fühlte sich stets unwohl dabei, dem aufgeweckten Hausmädchen untätig bei der Arbeit zuzusehen. Schließlich hatte Devon die Decke zur Seite geworfen und wollte aufstehen, um ihr zu helfen, doch Tansy hatte sich entsetzt umgedreht.
»Oh nein, Miss Devon! « Natürlich schritt Sebastian genau in diesem Augenblick an ihrem Zimmer vorbei, und Devons Herz setzte aus, als sie ihn gewahrte, Verdrossen musterte er sie, und sein durchdringender Blick blieb an dem nackten Zeh hängen, der zu sehen war. Der Hausherr zog vorwurfsvoll eine Braue hoch, und so schnell wie möglich bedeckte Devon ihren Fuß und zog sich die Decke bis unters Kinn.
Nach außen hin hatte sich Sebastians Benehmen ihr gegenüber entspannt, trotzdem wurde Devon das Gefühl nicht los, dass er sie für eine Dirne hielt. Und sie wusste nicht, wie sie ihm das Gegenteil beweisen konnte.
Innerlich versetzte ihr dies einen merkwürdigen Stich, obwohl sie nicht verstand, warum ihr seine Meinung so viel bedeutete. Immerhin konnte sie nicht für ewig in diesem Haus bleiben.
Etwa zehn Tage nach ihrer Ankunft entzündete Devon mitten in der Nacht eine Kerze, warf sich einen Morgenrock über und wagte sich hinunter in die Halle. Beinahe fühlte sie sich wie die Diebin, für die Sebastian sie hielt. Von Anfang an hatte Devon für alles in dem Haus reges Interesse gezeigt. Nach der prunkvollen Einrichtung der Räume zu urteilen, müsse der Marquess sehr reich sein, hatte sie eines Tages vor sich hin gemurmelt, als Tansy anwesend war. Mit
Weitere Kostenlose Bücher