Verlockende Versuchung
zurücklehnte, strich er sich mit einer Hand durch die zerzausten schwarzen Haare. »Oh Gott«, flüsterte er seltsam angespannt. »Ich fühle mich, als käme ich direkt aus der Hölle.«
Und nun gab es kein Zurück mehr. »Ich ließ mich von Jimmy bis in die Nähe von St. Giles bringen. Kaum war ich um die Ecke gebogen, sah ich einen Mann ohne Arme. Eine Frau ohne Beine kauerte in einem Hauseingang in der Nähe des Crow's Nest. «
»Das ist ein Trick. Eine List. Ich hoffe nur, du hast ihnen kein Geld gegeben. «
»Wohl kaum«, erwiderte Sebastian in seiner hochmütigen Art, die j eden außer seinen Bruder einschüchterte. »Ich gab es den drei kleinen. Dirnen ohne Schuhe.«
Justin nickte. »Sehr vernünftig.«
»Als ich das Crow's Nest verließ, spazierte ich zu Devons Unterkunft.«
»Was hast du getan? «
»Du hast mich ganz richtig verstanden. Ich ging zu Fuß.«
Justin stützte sich auf einen Ellbogen. »Guter Gott! Bist du behelligt worden? «
Sebastian lachte schroff. »Oh j a! Von einem Bettler. Ich gab ihm einige Münzen. Zum Dank versuchte er dann, mich zu bestehlen.« Eine kurze Pause folgte, und Sebastian schmunzelte versonnen. » Er war nicht erfolgreich. Die nächsten ... tja, sie waren hartnäckiger und wollten sehr gerne dort weitermachen, wo der Erste aufgehört hatte. «
»Sie? «
»Ja, es waren zwei.«
»Zum Teufel«, murrte Justin. »Ich hoffe doch, du hast um Hilfe gerufen.«
Munter betrachtete der Marquess seine Hand, als wolle er seine Fingernägel begutachten. »Dafür gab es keinen Grund«, sagte er leichthin.
»Unsinn 1 Dafür gab es j eden Grund!«
Sebastian blies sich leicht über die Knöchel seiner Finger - und die Blicke der Brüder trafen sich. »Nein«, entgegnete er bestimmt, »es gab keinen.«
Ungläubig starrte Justin ihn an.
Sebastian grinste.
»Habe ich dir niemals von meiner Zeit als Preisboxer während meiner Jahre in Oxford erzählt? Nein, wahrscheinlich nicht, da du nach Cambridge gingst. Na j a, es hat mir so manche volle Börse eingebracht, lieber Bruder. Ich habe es anscheinend nicht verlernt, würde ich sagen, immerhin habe ich kaum einen Kratzer abbekommen.«
Justin griff nach der Karaffe. »Tja, wir alle haben unsere Geheimnisse, nicht wahr? Trotzdem kann ich es nicht glauben, dass du ein weiteres Mal allein nach St. Giles gefahren bist und es wagst, mich leichtsinnig zu nennen! Großer Gott, ich brauche einen Drink.« Er leerte ein Glas in zwei Zügen und wollte sich gerade erneut einschenken, als er Sebastians Gesichtsausdruck bemerkte.
Langsam stellte Justin sein Glas wieder ab. »Es gibt noch mehr zu erzählen? «
»Ja.«
»Ich bin ganz Ohr«, meinte Justin.
Sebastian rieb sich die Hände. »Ich traf Phillips.«
»Devons Hauswirt?«
»Ja. Obwohl er zu der Gattung Mensch gehört, die man höchstens als Wurm bezeichnen sollte.«
»Ich verstehe.«
»Er war nicht besonders glücklich darüber, dass ein betrunkener Matrose an der falschen Tür klopfte und ihn aus tiefstem Schlaf weckte.«
Justin hatte seine gewohnte Gelassenheit wiedergefunden. »Er glaubte tatsächlich, dass du dich im Haus geirrt hast? «
»Ja. Aber er änderte seine Meinung und war sehr entgegenkommend, als ich erwähnte, dass ich nicht wüsste, wo Ich die Nacht schlafen könne. Er erklärte mir, dass er eine Bleibe für mich hätte.«
»Du hast also gesehen, wo Devon lebt? «
»Ja. Das Dach war so schräg, dass ich kaum aufrecht stehen konnte. Es gab nur ein Fenster, und das einzige Möbelstück war eine Pritsche in der Ecke. Nicht einmal ein Stuhl stand in der Kammer, in der kaum genügend Platz war, um sich zu drehen.« Sebastian hatte sich in Rage geredet. »Er nannte Devon ein freches, kleines Miststück, das abgehauen sei, ohne die fällige Miete zu zahlen. Ich wollte ihn auf der Stelle verprügeln und bekam auch meine Gelegenheit, als ich ihm erklärte, dass ich zum Schlafen mehr erwarte als ein heruntergekommenes Loch. An dieser Aussage hat er scheinbar Anstoß genommen.« Sebastian ballte die Hände zu Fäusten. »Folglich habe auch ich ihm einen Stoß versetzt. Justin, du hättest das Zimmer sehen müssen. Ich habe noch nie einen so abscheulichen Ort gesehen. Und Devon lebte dort. Sie lebte dort.« Er starrte ins Dunkel. »Sie wird nicht dorthin zurückgehen. Niemals. Das werde ich nicht zulassen.«
Lange und bedächtig musterte Justin seinen Bruder. »Das ist eine beachtliche Aussage für den Mann, der sie überhaupt nicht hier haben wollte.« Er zog eine
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