Verlockende Versuchung
dass er die zarte, weiche Haut darunter ausmachen konnte. Zögerlich bewegten sich seine Finger, während er sich zurückhalten musste, um nicht den Mund auf den seidigen Ausschnitt ihres Nackens zu drücken.
Unbewusst maß er mit der Spanne seiner Hand ihre schmale Hüfte. Im Vergleich zu ihrer Anmut und zierlichen zartgliedrigen Gestalt wirkten seine Hände noch riesiger und dunkler als gewöhnlich. Fast fühlte er sich unbeholfen und linkisch - er, Sebastian Sterling, der Marquess von Thurston, und sie, ein obdachloses Mädchen !
Er furchte die Stirn. »Devon, wo ist Euer Korsett? «
»Ich mag sie nicht und trage deshalb keines. Es sind Folterwerkzeuge! «
»Eine Lady trägt immer ein Korsett! «
Entschlossen reckte sie ihm das Kinn entgegen. »Nun, ich nicht. Habe ich nie und werde ich nie 1 «
Sie trug kein Korsett, hatte noch nie eines getragen und würde es auch nie tun. Und sprach dabei von Marter, obwohl sie doch die Herrin der Folter war, denn die süße Qual, die sie ihm bereitete, schien niemals enden zu wollen!
In Wahrheit hatte sie allerdings gar kein Korsett nötig. Hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen, mit seinen eigenen Händen gespürt, hätte er niemals erraten, dass sie bei der Anprobe auf dieses Kleidungsstück verzichtet hatte.
Als er das Kleid zugeknöpft hatte, schob er Devon zu dem goldumrandeten Spiegel, der in einer Zimmerecke stand. Während sie vorher beinahe vor Aufregung getanzt hat te, musste er sie nun seltsamer weise fast dazu zwingen, an den Spiegel zu treten. Zuerst stand sie mit gesenktem Kopf da, bis sie schließlich das Kinn hob und ihr Spiegelbild ansah.
»Oh«, flüsterte Devon, und dann noch einmal, »Oh! « Mit einer Hand strich sie über das Kleid. »Es passt«, hauchte sie. »Sebastian, es passt! «
Ein unbeschreibliches Leuchten ging von ihr aus.
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Was haltet Ihr davon? « , wollte sie atemlos wissen.
»Nun«, sagte der Marquess nachdenklich. »Ich glaube, dass etwas fehlt.«
»Was?«, fragte sie besorgt. »Was?«
» Ich bin mir nicht ganz sicher.« Er gab vor, sie genauer ansehen zu müssen, erst von der einen, dann von der anderen Seite.
Unsicher fuhr sie sich mit der Hand an den Hals.
»Ja, das ist genau der Punkt.«
Dann holte er etwas aus seiner Tasche. Devon ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, als er eine fein geschmiedete Silberkette um ihren Hals legte.
»Meine Halskette!« Ehrfurchtsvoll tastete sie mit den Fingerspitzen über die glänzende Oberfläche. »Ihr habt sie reparieren lassen«, flüsterte sie.
»Ja«, gab er mit einem reuevollen Lächeln zu. Am Tag, nachdem er nach St. Giles gefahren war, hatte er sie zu einem Juwelier gebracht.
Langsam drehte sie sich um. Ihre Augen, dunkel und fragend, suchten die seinen. »Warum?«, wollte sie mit zitternder Stimme wissen. »Sebastian, warum? Ich dachte ... «
»Ihr hattet vollkommen Recht«, erklärte er sanft. »Ich hätte sie nicht behalten dürfen.«
Sie biss sich auf die Lippen, und ihr Blick verschleierte sich. »Sebastian, ich ... ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Eine Flut an Gefühlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Es war eine solche Kleinigkeit - völlig mühelos bewerkstelligt -, trotzdem machte es ihr so viel Freude. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Sebastian Demut in sich aufsteigen.
»Sagt danke«, meinte er scherzhaft.
Das tat sie auch, doch auf eine Art, die er nicht erwartet hatte.
Mit beiden Händen griff sie empor, ließ die Finger durch sein dunkles Haar gleiten und zog seinen Kopf zu sich herab.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, küsste sie ihn fest auf den Mund.
Ein dutzend Warnglocken erklangen in Sebastians In nerstem. Denn wenn der andere Kuss schon süß gewe sen war …
Di eser war noch viel süßer.
Zwölftes Kapitel
Devon war schon zuvor geküsst worden - wenn man nasse, sabbernde Lippen auf den ihren als Kuss bezeichnen wollte. Im Crow's Nest war ihr stets ein Schauer über den Rücken gelaufen, und sie hatte sich geduckt und weggewunden, um lüsternen Angriffen auszuweichen. Derartige Annäherungsversuche musste sie leider um ihrer Arbeit willen erdulden.
Doch dies hier war weder reine Wollust noch plumpe Begierde.
Auch war Devon keineswegs abgeneigt.
Von Sebastian wollte sie überwältigt werden. Und wenn sie sich in seinen Armen wand, tat sie es nur, um ihm noch näher zu kommen.
Der Kuss dauerte nur einen kurzen Moment, dennoch brannte er sich für immer in ihrem
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