Verlockendes Dunkel
er würde außerstande sein, Scathachs Krieger ein Messer ins Herz zu stoßen.
Dem Himmel sei Dank für all die Jahre des Studierens und Auswendiglernens! Der Gegenzauber tauchte aus Brendans benommenem Gedächtnis auf und wurde mit einem Keuchen freigesetzt, als die Fesseln der Magie des Amhas-draoi sich schon um seine Brust zusammenzogen. Mit einem Schrei duckte Brendan sich unter dem ungeschickten Schlag des Mannes, dessen Blutverlust sich schließlich doch bemerkbar machte, parierte einen weiteren Hieb und rollte sich von seinem Gegner weg. Und schon war der Weg zur Straße frei.
Sowie Brendan die Gasse hinter sich gelassen hatte, brauchte er nur noch einen Moment, um einen Tarnungszauber zu bewirken. Wie den feth-fiada , um sich unsichtbar zu machen. Oder was auch immer – Hauptsache, es erkaufte ihm die Zeit zu fliehen.
Als er jedoch gerade um die Ecke bog, traf ihn weiterer Stoß von Kampfmagie im Rücken, der ihn in die Gosse schleuderte und ihm das Messer aus der Hand riss.
Es war, als wäre er von einem Blitz getroffen worden. Die Magie durchfuhr ihn, schoss an seinen strapazierten Nervenbahnen entlang und versetzte seinem Gehirn einen Schock, der es in heillose Verwirrung stürzte.
Er stolperte gegen einen Stapel Kisten und schrammte sich die Hände auf, als er auf die Knie fiel. Schweiß brannte in seinen Augen, und ein Schrei schallte in seinen Ohren.
Ein Schrei? Sein eigener oder der eines anderen? Brendan rappelte sich auf. Er blieb nicht stehen, um sich umzusehen oder zu antworten, sondern rannte weg, so schnell er konnte.
»Wach auf, ma puce! Du musst dich anziehen. Schnell!«
Die Stimme riss Elisabeth aus einem tiefen Schlaf und brachte sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück.
Sie versuchte, die Decke über ihren Kopf zu ziehen, aber die Stimme beharrte: »Es ist wichtig, Elisabeth. Es geht um Douglas. Du musst mitkommen.«
Die unterschwellige Panik in der Stimme bewirkte mehr als die Hand auf Elisabeths Schulter, um sie auffahren zu lassen. Mit zitternden Fingern rieb sie sich den Schlaf aus den Augen. Die Gefahr hatte sie schließlich eingeholt.
»Was ist passiert?«
»Rogan kam mit Neuigkeiten. Die Amhas-draoi haben Douglas gefunden.«
Elisabeth zwang sich zu einer Ruhe, die sie nicht empfand. »Ist er …« Die Worte blieben ihr wie Scherben in der Kehle stecken.
»Er lebt, doch er ist verletzt. Helena sagte, ich solle dich schlafen lassen, mais tu es son éfouse – du bist seine Frau. Es ist dein gutes Recht, bei ihm zu sein.« Madame Arana zog sie unter den Decken hervor. »Komm! Wir machen uns gleich auf den Weg. Du hast zehn Minuten, um dich anzuziehen und hinunterzukommen.«
Und dann ging sie und ließ Elisabeth allein, zitternd vor Kälte, Angst und einem Wissen, von dem sie wünschte, sie könnte es aus ihrem Kopf verbannen. Sie setzte sich auf die Bettkante und schloss für einen Moment die Augen. Die Vision, die sie in dem Spiegel gesehen hatte, stieg ebenso schnell in ihrem Bewusstsein auf wie die Übelkeit in ihrer Kehle. Madame Aranas Ermahnung, nachdem sie den Spiegel konsultiert hatten, zerrte an ihrem Herzen, und ihre eigenen Ableugnungen hämmerten in ihrem Kopf.
War ihr ernst gemeint gewesen, was sie gesagt hatte, als sie versucht hatte, Brendan seine Besserung vor Augen zu führen? Oder hatte sie nur gehofft, sich selbst zu überzeugen?
Ein Gedanke kam ihr mit den Erinnerungen, die sie im Dunkel ihres Zimmers umringten wie Gespenster. Würde dieser Angriff Brendan klarmachen, dass Helenas Plan zum Scheitern verurteilt war? Würde er erkennen, dass zu überleben bedeutete, sich selbst aufs Neue zu verlieren? Unter Fremden in einem fremden Land leben zu müssen? Als Mann ohne Vergangenheit und ohne Zukunft?
Konnte sie ihn kampflos gehen lassen?
Wieder einmal?
Mit zitternden Fingern schloss sie die Knöpfe an ihrem Kleid. Ihr Herz klopfte wild, als sie rasch ihr Haar aufsteckte. Und neun Minuten und neunundfünfzig Sekunden später war sie unten und bereit zu gehen.
Kapitel Achtzehn
B rendan versuchte, die Augen zu öffnen, aber seine Lider schienen zu schwer zu sein, um sie zu heben, so wie auch seine Arme und Beine kaum die Kraft besaßen, sich zu bewegen, und jeder Atemzug eine Strapaze war. Als er die Bruchstücke seiner Erinnerungen zusammensetzte, entsann er sich einer schmutzigen Gasse, eines Schmerzes, der ausgereicht hätte, um einen Elefanten in die Knie zu zwingen, und eines ihm seltsam bekannt vorkommenden Mannes, der ihn gewarnt hatte,
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