Verlockendes Dunkel
doch er wollte nichts, deshalb habe ich ihm einen Schlaftrunk eingeflößt. Eine Zeit lang schien er zu wirken, aber jetzt stöhnt er wieder und wirft sich herum, als wäre ihm der Teufel höchstpersönlich auf den Fersen.«
Brendan lag unruhig auf einer Strohmatratze und war mit einer schmuddeligen Decke zugedeckt. Das schweißnasse Haar klebte ihm am Kopf, sein Hemd war durchgeschwitzt, und er atmete so angestrengt, als renne er. Er war wach, seine blutunterlaufenen Augen starrten auf irgendeine unsichtbare Szene, und seine Nackenmuskeln spannten sich an, als er zischend sagte: »Verdammt noch mal, Freddie, tu doch einfach, was sie sagen!«
Freddie?
Eine Erinnerung erwachte in Elisabeths Hinterkopf, während es ihr kalt über den Rücken lief. »Es war doch kein Laudanum, was Sie ihm gegeben haben?«
»Doch. Ich hatte ein bisschen von einem Apotheker, der …« Lyddy brach ab, als sie Elisabeths besorgte Miene sah. »War das nicht richtig?«
»Er verträgt kein Laudanum, glaube ich«, erklärte Elisabeth seufzend, kauerte sich neben Brendan und legte eine Hand auf seine Stirn.
Lyddys Brauen zogen sich zusammen, und sie schob das Kinn vor und stemmte eine Hand in ihre Hüfte. »Woher hätte ich das denn wissen sollen? Rogan erscheint hier mit einem halb toten Mann und sagt, ich soll ihn pflegen. Ich hab getan, was ich konnte. Mein Bestes. Sehe ich vielleicht wie eine Ärztin aus?«
Helena musterte sie und verzog ihre blutleeren Lippen. »Nein, ich glaube nicht, dass man Sie dafür halten könnte.«
Lyddy, die sich so leicht nicht unterkriegen ließ, taxierte jetzt Helena mit einem scharfen, unfreundlichen Blick. »Zumindest habe ich einen Mann. Soviel ich hörte, haben Sie nur noch Spinnweben zwischen den Beinen, seit dieser Freund von Ihnen starb.«
Helena versteifte sich. Ein seltsamer Ausdruck huschte über ihre Züge, und ihr Blick wurde hart wie Stahl. »Charmante junge Dame, Rogan. Wo hast du dieses reizende Geschöpf gefunden?«
»Lyddy, ich habe mit dir zu reden.« Rogan packte sie am Arm. »Jetzt sofort.«
Er zog sie aus dem Zimmer, doch ihre Rechtfertigungen waren laut genug, um von den anderen gehört zu werden. »Sie hat kein Recht, so mit mir zu reden. Ich habe getan, was ich konnte. Was denkt sie sich …« Dann knallte unten eine Tür zu.
Madame Arana beugte sich über Elisabeth.
»Können Sie irgendetwas für ihn tun?«, fragte sie die alte Dame und ergriff Brendans Finger.
Madame Arana legte eine mit Altersflecken bedeckte Hand an ihre Brust und schloss die Augen. Ihr faltiges Gesicht wurde ganz starr vor Konzentration. »Falls es Kampfmagie ist, gibt es Möglichkeiten. Aber wenn seine Krankheit ihren Ursprung in der Droge hat, ist es das Beste, sie ihren Lauf nehmen zu lassen.«
Brendans Augen richteten sich auf Elisabeth, und sie sah, dass das Gold seiner Iris nur noch wie schmutzige Bronze aussah. »Wohl doch kein so guter Handel, was?« Verbitterung klang in seinem Lachen mit. »Hättest wohl besser deinen Schäferhund geheiratet.«
Freddies Augen verfolgten Brendan. In all ihren Facetten. Von Fassungslosigkeit zu Schock, Entsetzen und letztendlich dem leeren Blick des Todes. Wie eine endlose Schleife durchlebte er die einzelnen Sequenzen des Mordes an Freddie, der sich immer wieder von Neuem in seinem fiebrigen Hirn abspielte.
Die Auseinandersetzung wurde hässlich. Brendans Begleiter wurden zuerst ungeduldig, dann gewalttätig. Es hagelte Drohungen. Appelle. Ultimaten. Und dann wurden Freddies Familienmitglieder einer nach dem anderen vor seinen Augen ermordet. Freddies Tod war fast schon eine Gnade, als er kam. Dann waren sie weggeritten und hatten das brennende Haus hinter sich zurückgelassen, ohne auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Brendans Augen waren gerötet vom Rauch und von seinen Tränen gewesen, seine Hände an den Zügeln nass von kaltem Schweiß, und ihm war so übel gewesen, dass seine Zähne geklappert hatten und er einen säuerlichen Geschmack im Mund gehabt hatte.
Freddie hatte ihm vertraut. Vater hatte ihm vertraut. Elisabeth hatte ihm vertraut.
Zwei von dreien waren tot. Durch seine Schuld. Alles nur durch seine Schuld.
Er erbrach sich, bis seine Kehle wund war und seine Muskeln zuckten.
Sanfte Worte dämpften die grauenvollen Schreie der Toten in seinem Kopf, und kühle Hände beruhigten ihn. Doch er drehte sich auf die Seite, kniff die Augen zu und betete um Erlösung. Er wollte es nicht erneut durchleben. Nicht schon wieder. Nicht
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