Verlockendes Dunkel
war?«
Elisabeth verschränkte die Arme vor der Brust. »Helena hat mir nichts zu erlauben, und ich brauche sie auch nicht um ihre Zustimmung zu bitten. Ich blieb bei dir, weil ich es wollte und weil du mein Mann bist.«
Brendan schnaubte angewidert. »Weißt du, ich hatte schon fast gedacht, wir könnten …« Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Aber dafür ist es jetzt zu spät.«
Zu spät für was? Am liebsten hätte sie ihn an den Schultern gepackt und gezwungen, es ihr zu erklären. Doch der Raum zwischen ihnen schien übersät mit Hindernissen zu sein. Solange Brendan nicht aus dem Schatten seiner Vergangenheit trat, konnte es keine Zukunft für sie geben. Ganz gleich, wie sehr sie es sich wünschte.
Er öffnete die Augen und schaute mit einem betrübten Lächeln zu ihr auf. »Hast du dir auch schon mal gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können? Eines Morgens zu erwachen und zu wissen, dass du noch dein ganzes Leben vor dir hast, ganz ohne Irrtümer und Fehler?«
War sie einer seiner Fehler? Elisabeth fragte nicht, weil die Antwort zu deprimierend sein würde, sondern sagte nur: »Du warst damals kaum mehr als ein Junge, Brendan. Dein Vater hätte dich nicht in seine Machenschaften verstricken dürfen.«
»Such nicht nach Ausflüchten für mich, Elisabeth! Es waren meine Machenschaften. Die Neun wären nie so mächtig geworden ohne meine rückhaltlose Unterstützung.«
»Und was änderte dann deine Einstellung?«
»Freddie Atwood.«
Sie zog schnell und scharf den Atem ein. Natürlich! Das war es, was ihrem Unterbewusstsein keine Ruhe ließ. »Was hat Freddie mit alldem zu tun?«, fragte sie, obwohl ein ungutes Gefühl ihr sagte, dass sie die Antwort bereits kannte.
»Er war ein Anderer . Wusstest du das? Seine ganze Familie trug Magierblut in sich, doch bei Freddie erblühte es zu einer Kraft, die uns auf ihn aufmerksam machte.«
Nein, das hatte sie nicht gewusst. Und woher auch? Freddie Atwood war nur einer der Nachbarsjungen gewesen: ein lachender, fröhlicher Bursche mit vor Schalk funkelnden blauen Augen, ein verwegener Reiter und gutmütiger Tanzpartner. Nichts hatte je darauf hingedeutet, dass mehr in ihm steckte, als auf den ersten Blick erkennbar war.
»Ich konnte ihn für unser Netzwerk gewinnen. Eine Zeit lang arbeiteten wir sehr gut zusammen, aber dann wurde er sauer auf die Gruppe und wollte aussteigen.« Brendan hielt inne und versteifte sich, seine Atemzüge kamen schneller, und er senkte den Blick auf seine verschränkten Hände.
Elisabeth spürte, dass auch ihre Anspannung und das Pochen in ihren Schläfen zunahmen.
»Inzwischen stand jedoch schon zu viel auf dem Spiel. Wir konnten uns keine Abtrünnigen leisten. Und so wurde mir die Aufgabe übertragen, ihn zum Bleiben zu überreden.«
Elisabeths Mund war so trocken geworden, dass sie wünschte, Brendan hätte nicht das ganze Wasser verbraucht. Sie könnte jetzt wirklich etwas zu trinken brauchen. »Die Schuld an dem Feuer wurde den Bauern zugeschoben, die Freddies Haus angeblich aus Wut über eine Erhöhung ihrer Pachten angezündet hatten. Du warst dort, aber du hast mir nie erzählt …«
Er sah sie an, als wäre sie ein dummes kleines Mädchen. »Dass Freddies Tod und der seiner Familie meine Schuld waren? Natürlich nicht. Doch danach war es nie wieder so wie vorher zwischen Vater und mir. Ich sah die Wahrheit dessen, was wir taten, und wusste, dass unser Vorhaben unmöglich gelingen konnte, ohne dass Tausende wie Freddie starben – Unschuldige, die in unseren Wahnsinn hineingezogen würden.« Einer seiner Mundwinkel verzog sich grimmig. »Jetzt kommt die Stelle, an der du sagen wirst, dass ich ein herzloser, mörderischer Bastard bin. Dass ich den Tod verdiene, den Máelodor mir zugedacht hat, und dass du mich hasst und wünschst, du wärst nicht meine Frau geworden.«
Sie zuckte zusammen. »Das wünsche ich mir keineswegs.«
Sein Lachen war hart und grausam und schnitt ihr wie ein Messer ins Herz. »Aber alles andere streitest du nicht ab.«
Brendans Magen blieb empfindlich, er selbst nervös, doch das Schlimmste war vorbei. Die höllischen Bilder der Toten, die ihn verfolgten, waren verblasst. Ihre nach ihm greifenden Hände verschwanden in den zerwühlten, feuchten Laken; das Zischen ihrer Flüche war nur noch der Regen, der gegen die Fenster schlug.
In den frühen Jahren seines Opiumentzugs war Brendan wochenlang im Zimmer hin und her gelaufen, während ihm Bilder durch ein Gehirn schossen, das brannte vor
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