Verlockendes Dunkel
die Wand zurück, wobei ihm das Laken bis zur Taille herunterrutschte. Sein Blick glitt durch den Raum, als suchte er etwas, und kaum blieb er auf Elisabeth haften, ersetzte Verwirrung seinen wilden Blick, der wie der eines gefangenen Tieres gewesen war. Er entspannte sich ein wenig, und obwohl er noch immer misstrauisch war, wirkte er doch schon ein bisschen ruhiger. »Wo bin ich?«, fragte er mit einer Stimme, die kühl und spröde war wie Glas.
»In einem Zimmer über einer Schankstube an der Bridgefoot Street.«
Langsam schien er zu verstehen, sein Blick klärte sich. »Wie lange schon?«
»Drei Tage.«
»Verfluchter Mist!«, murmelte er und trat die Decken weg, um aufzustehen. »Wie eine verdammte Lockente sitze ich hier.« Sein Blick glitt wieder zu Elisabeth, und die Vorsicht war noch nicht daraus gewichen, bemerkte sie. »Ich bin überrascht, dich hier zu sehen. Bist du gekommen, um deine Drohung endlich wahr zu machen? Gift in meiner Suppe war es, glaube ich.«
Sie zuckte zusammen, als sie sich an diese lange zurückliegende Auseinandersetzung erinnerte. Es kam ihr vor, als wäre es eine andere Elisabeth Fitzgerald gewesen, die nach Brendans schockierender Rückkehr nach Dun Eyre mit ihm gestritten hatte. Sie hatte sich seit damals verändert, ja sie war ein anderer Mensch geworden. Oder vielleicht war sie auch nur wieder zu der Frau geworden, die sie gewesen war, bevor er damals verschwunden war und ihre Träume mitgenommen hatte.
»Falls du an Mord denkst, wirst du dich hinten anstellen müssen«, murmelte er. »Die Schlange der Leute, die meinen Kopf auf einer Pike sehen wollen, wird mit jeder gottverdammten Stunde länger.«
Er trieb sie in den Wahnsinn, dieser Mann. Elisabeth erwiderte seinen gereizten Blick, und das Bedürfnis, ihn in die Arme zu nehmen, war ebenso stark wie das, ihm etwas über den Kopf zu ziehen. »Ist das deine Art von Dankbarkeit? Wenn du es unbedingt wissen willst – ich habe die letzten Tage damit verbracht, dafür zu sorgen, dass du nicht den Löffel abgibst. Und bekomme ich dafür auch nur ein Dankeschön?«
Brendans Augen weiteten sich, als er gegen eine Wand taumelte und schnell die Hand ausstreckte, um sich abzustützen. Dann schüttelte er den Kopf, als versuchte er, Klarheit zu gewinnen. »Wir haben uns nicht gerade freundschaftlich getrennt.«
»Ich hatte ein Recht, Bescheid zu wissen, Brendan.«
Er verzog das Gesicht. »Und jetzt, da es so ist, bist du zufrieden?«
»Begeistert«, gab sie scharf zurück. Männer!
Er fuhr sich mit einer Hand durch das zerzauste Haar, als er auf bloßen Füßen zu dem Tisch mit dem Wasserkrug hinübertappte. Dort zog er fragend eine Augenbraue hoch.
Elisabeth nickte, und er schüttete sich das Wasser über den Kopf und schnappte nach Luft, als der kalte Strahl ihn traf. Seufzend strich er sich das nasse Haar aus dem Gesicht. »Schon viel besser. Ich fühle mich fast wieder wie ein Mensch, Lissa«, sagte er mit einem schiefen Grinsen.
Sie schluckte und ließ den angehaltenen Atem entweichen, während sie versuchte, ihn nicht anzustarren. Nicht seine nackte, muskulöse Brust und auch nicht das Wasser, das über seine fein geschnittenen Züge rann, über seinen Hals und an seinem flachen Bauch in seinen Hosenbund hinunterlief. Sie hatte auf jeden Fall noch nie einen Genesenden gesehen, der derart gut ausgesehen hatte.
Ein seltsames Glimmen stand in seinen Augen, als sein Blick über sie glitt, als wüsste er, was sie dachte. »Du warst die ganze Zeit hier?«
Elisabeth spürte die Röte, die ihr in die Wangen stieg, und hasste sich dafür. Was zum Teufel sollte dieses kindische Erröten? Sie waren schließlich verheiratet und hatten einander schon splitterfasernackt gesehen. Wieso hatte sie dann das Gefühl, als hätte sich eine neue, unüberwindbare Mauer zwischen ihnen erhoben? »Seit Rogan mit der Nachricht von dem Überfall zur Duke Street kam.«
Brendan ließ sich auf die Strohmatratze fallen und schlug die Hände vors Gesicht. »Gott, das muss ja nett gewesen sein!«
»Mir fallen passendere Adjektive dazu ein.«
Ohne eine Miene zu verziehen, erhob er den Blick zu ihr. »Mir auch. Wie ›leichtfertig‹, ›hirnverbrannt‹ oder ›ohne ein Fünkchen Verstand in deinem hübschen kleinen Kopf.‹ Wenn die Amhas-draoi mich hier gefunden hätten …« Ein Muskel zuckte an seinem Kinn, sein Mund verzog sich zu einer grimmigen Linie. »Wie konnte Helena dir erlauben zu bleiben, obwohl sie sich der Gefahr bewusst
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