Verlockendes Dunkel
haben.«
Elisabeth schaute sich in Helena Roseingraves schlichtem, aber stilvollem Salon um. Das anheimelnde Feuer. Die dicken Orientteppiche. Das unbeschreibliche Gefühl, sich in einer völlig anderen Welt zu befinden, in der selbst die alltäglichsten Gegenstände von Magie durchdrungen waren.
»Ich bin versucht – aber danke, nein«, antwortete sie kopfschüttelnd. »Es klingt wahrscheinlich verrückt, nachdem das Einzige, was ich mir wünschte, seit ich in Brendans Gegenwart erwachte, nur wieder ein Zuhause war. Doch ich glaube, ich muss vorläufig hierbleiben.«
Aidans Augen verengten sich. Elisabeth hatte schon vergessen, wie stur er sein konnte. Ein typisch Douglas’scher Charakterzug ganz offenbar. »Als Brendans Frau bist du jetzt meine Verantwortung. Er würde dich in Sicherheit wissen wollen. Und deine Tanten werden erfahren wollen, was aus dir geworden ist.«
Elisabeth straffte die Schultern. »Ich werde Tante Fitz und Tante Pheeney unverzüglich schreiben, doch Madame Arana hat mir hier ein Zuhause angeboten, solange ich es brauche. Und ich brauche es. Ich will hier sein, wenn …«, sie weigerte sich, »falls« zu sagen, »Brendan zurückkehrt.«
Etwas Dunkles, Zorniges blitzte in Aidans Augen auf, ein Anflug seines wilden Anderen -Blutes. Als tauchte für einen Moment ein Monster auf, bevor es wieder in der Tiefe versank. »Und wenn er nicht zurückkehrt? Máelodors Besessenheit von der Überlegenheit der Anderen hat ihn pervertiert, bis er nichts anderes mehr als das Böse in Form eines Mannes ist. Er ist kaum noch menschlich. Brendans Macht ist groß, aber ist sie groß genug?«
Elisabeth starrte in das Feuer und sah zwei glühende goldene Augen in der Glut, die einen warmen Hauch über ihr Gesicht sandten. Und trotzdem fühlte sie sich wie erfroren, und ihr Blut floss kalt und träge durch ihre Adern. Beherrscht von einer Furcht, die sie nicht verdrängen konnte.
»Was meinst du?«
Aidan warf seinen gerade erst angezündeten Zigarillo mit zitternder Hand ins Feuer. »Ich habe Brendan schon einmal verloren und weigere mich, ihn aufs Neue zu verlieren.«
In Elisabeths Lächeln schwang eine gewisse Traurigkeit mit, denn genauso dachte sie darüber.
Nach Aidans Aufbruch machte Elisabeth sich auf die Suche nach Madame Aranda und fand sie wie erwartet in ihrem Dachbodenzimmer, wo sie mit einer Näharbeit auf dem Schoß in einem Sessel saß. Aber die alte Dame nähte nicht, sondern starrte mit ernster Miene aus dem Fenster in die verregnete Nacht hinaus. Das verwaschene Licht der Straßenlaternen drang zu ihnen herauf, und Zugluft zischte durch die Ritzen in den Fensterrahmen und bewegte die Gardinen. Killer lag schlafend auf einem nahen Läufer, und sein leises, pfeifendes Schnarchen war irgendwie tröstlich in einer ansonsten etwas heiklen Stille. Madame Arana schien nur mit Mühe den Blick vom Fenster losreißen zu können, und ein seltsamer Schatten glitt über ihr Gesicht. »Ist Lord Kilronan fort?«
Elisabeth, die auf keinen Fall zu dem alten Bett hinübersehen wollte, das Brendan und sie erst wenige Stunden zuvor geteilt hatten, sog scharf den Atem ein. »Sie wussten, dass er kein Amhas-draoi war. Warum haben Sie ihn mir dann als solchen angekündigt?«
Madame Arana erhob sich steif und halb gebückt, als belasteten die wachsenden Probleme sie sehr. »Ich sehe viel Verwirrung in dem Spiegel. Alles ist im Fluss, und nichts ist sicher, obwohl ich jeden Tag das Glas befragt habe, in der Hoffnung, einen Sinn in all den Bildern zu erkennen. Das Einzige jedoch, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Douglas dieser Herausforderung allein ins Auge sehen muss. Nur so wird er sich gegen Máelodor und seine eigenen Dämonen behaupten können. Lord Kilronans Gegenwart hätte die Ereignisse verändert, vielleicht sogar den Ausschlag für eine Wendung gegeben. Das konnte ich nicht erlauben.«
»Nicht erlauben? Wer sind Sie, Madame, um Menschen wie Figuren auf einem Schachbrett zu bewegen?«
Madame Aranas großmütterliche Art fiel von ihr ab, ihre Augen blitzten, und ein seltsames, unheimliches Leuchten erglühte unter ihrer Haut. »Ich tue, was ich tun muss, um das Überleben meiner Rasse zu sichern in einer Welt, die nur allzu schnell verurteilt. Genau wie Brendan Douglas tut, was er tun muss. Wir alle haben eine Rolle zu spielen. Vielleicht sogar du, Elisabeth. Denn obwohl du nicht von unserer Rasse bist, gehörst du doch zu unserer Welt.«
»Zeigen Sie es mir!«, forderte Elisabeth.
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