Verlockendes Dunkel
sie zum Schlafen trug. Dann würde sie die Nadeln entfernen, die ihre aufgesteckten Locken zusammenhielten, und die bezaubernde Fülle dunkelroten Haares würde wie Seide über ihren Rücken bis zu ihren Hüften fallen. Und zuletzt würde sie ihre schlanken Arme zu ihrem Nacken erheben, die Halskette öffnen, die in der Mulde zwischen ihren wundervollen Brüsten lag, und sie in ihr Kästchen zurücklegen.
Ein ironisches Lachen entrang sich Brendan. Gott, er musste es ja wirklich nötig haben, um von Elisabeth zu fantasieren! Sie hatte ihm nahegestanden wie eine Schwester. Eine kleine Schwester. Sie amüsierte ihn, war klug, lustig, wagemutig und ritt ein Pferd, als wäre sie schon im Sattel geboren worden. Aber Stoff für Fantasien war sie nie gewesen. Und jetzt auf einmal doch? Wenn sein verändertes Aussehen sie erstaunt hatte, war er über das ihre mindestens genauso überrascht gewesen.
Er hatte Elisabeth als ein wenig mollig in Erinnerung, mit einem Gesicht voller Sommersprossen, einer Fülle wild zerzauster, dunkelroter Locken und einem lausbubenhaften Glanz in den großen braunen Augen. Aber heute hatte statt des Mädchens aus seinen Erinnerungen eine sinnliche, verführerische Frau vor ihm gestanden, mit einem Körper, der Brendans Blut in Wallung brachte. Sie zu sehen hatte ihn schwindlig und unbesonnen gemacht von Gedanken, die er niemals haben sollte, und Ideen, die er keine Gestalt annehmen lassen dürfte.
Er hätte Jack begleiten sollen in ihrer letzten Nacht in Ennis. Dieser Filou von einem Cousin verstand es mit seltenem Talent, stets die richtige Frau zu finden, um jegliches Bedürfnis zu befriedigen. Brendan bewegte sich unbehaglich und erstickte seine lüsternen Fantasien mit weitaus unerfreulicheren Gedanken – wie an die furchtbaren Konsequenzen, falls es Máelodor gelingen sollte, den Sh’vad Tual in seinen Besitz zu bringen.
An den dann zu erwartenden Krieg zwischen der Magierrasse der Anderen und ihren nicht magisch begabten Duinedon -Nachbarn und die Katastrophe, die es für beide Seiten wäre, wenn es so weit kommen sollte.
»… ein königliches Lösegeld … was hat sie an …«
»… spielt keine Rolle, Marcus … hör auf …«
Männerstimmen erhoben sich vom Fuß der Treppe.
Brendan erstarrte und hielt den Atem an. Da er jedoch keine Schritte auf den Stufen hörte, mussten sie sich in eine der zahlreichen, mit Bänken versehenen Nischen zurückgezogen haben.
Brendan wandte nicht gleich den fith-fath -Zauber an, um sich zu tarnen, sondern verschmolz nur tiefer mit den Schatten, bis nichts mehr die Männer darauf aufmerksam machen konnte, dass sie Gesellschaft hatten.
»Ich werde noch wahnsinnig vor Langeweile, Gordon. Was zum Teufel tun die Leute hier, um sich zu amüsieren?«
»Es ist nicht London, das ist schon richtig, aber es hat auch seinen eigenen schlichten Charme. Ich bin sogar ganz froh, dem Londoner Getümmel zu entkommen.«
Gordon Shaw und sein Halbbruder Marcus. Brendans Knie versteiften sich, seine Schultern schmerzten schon vor Anspannung, doch er wagte nicht, sich zu bewegen.
»Abgesehen von dem ländlichen Charme kannst du mir nicht ernsthaft einreden, es gefiele dir, in diesem Provinznest Däumchen zu drehen, während die Londoner Saison in vollem Gange ist. Und was sagt Lord Prosefoot zu deiner Abwesenheit während der Sitzung?«
»Er war sehr verständnisvoll. Und es ist ja auch nicht so, als hätte ich mir keine Arbeit mitgebracht. Ich habe sogar schon einiges erledigt. Also reg dich nicht auf! Noch eine Woche, und wir sind auf dem Dampfer nach Holyhead und werden gegen Ende des Monats in London sein.«
Ein theatralisches Stöhnen war zu hören. »Ich glaube nicht, dass ich es überlebe, eine weitere Woche an diese provinzielle Vorstellung von Unterhaltung gebunden zu sein. Ich habe es dir nicht erzählt, aber gestern beim Dinner wurde ich von Miss Fitzgeralds Cousine, Mrs. Tolliver aus Bedfordshire, erwischt. Ich musste mir endlose Vorträge anhören über die Familienbeziehungen zwischen den Shaws und den Tollivers, die angeblich bis zur Zeit der Eroberung zurückgehen. Auch brüderliche Verpflichtungen haben Grenzen.«
»Ja, aber bei demselben Dinner hatte ich ein Gespräch mit Elisabeths Vormund, Lord Taverner, der mir anbot, mit Stuart in Frankreich über einen Botschafterposten für mich zu sprechen. Wer weiß, wie viel weiter ich von dort aus noch gelangen kann! Ich wusste, dass die Verbindung mit den Fitzgerald meine Zukunft sichern würde«,
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