Verlockendes Dunkel
verkündete Shaw stolz.
»Ich bin mir nicht sicher, was du aufregender findest – die Ehefrau oder die politischen Beziehungen.«
»Weißt du was? Ich auch nicht.«
Zynisches Gelächter folgte.
Die arme Lissa! Sie hatte wirklich großes Pech mit der Auswahl ihrer Ehemänner.
Elisabeth bürstete ihr Haar noch lange, nachdem auch das letzte Knötchen rigoros entfernt worden war. Gewöhnlich beruhigten sie die gleichmäßigen Bürstenstriche, aber heute Abend waren ihre unruhigen Gedanken stärker als jeder Versuch, sich zu entspannen. Warum war Brendan von den Toten zurückgekehrt? Vor wem verbarg er sich? Steckte er in Schwierigkeiten? Und warum kümmerte sie das überhaupt?
Als sie die Bürste auf die Frisierkommode zurücklegte, bemerkte sie stirnrunzelnd das leichte Zittern ihrer Finger und das Kribbeln in ihrem Magen. Ach was, sagte sie sich. Das war nur das Lampenfieber vor der Hochzeit. Aufregung. Nervosität. Ein bisschen Furcht. Alles ganz normal und gar nicht anders zu erwarten.
Ihre Nervosität hatte nichts zu tun mit der Rückkehr eines Mannes, den sie für tot und begraben gehalten hatte.
Aber sie hätte es besser wissen müssen. Brendan war viel zu clever, um unbetrauert in einem Armengrab zu enden.
Ihre Furcht war in keinster Weise mit dem überraschenden Erscheinen eines Mannes verbunden, von dem das Gerücht ging, er habe seinen Vater verraten und seinen Tod zu verantworten.
Sie hatte diese Geschichten nie geglaubt. Brendan mochte vieles sein, aber gewiss kein Mörder.
Und ihre Aufregung war ganz entschieden kein Wiederaufflammen kindlicher Verliebtheit.
Sie liebte Gordon, und er liebte sie. Auf eine reife, erwachsene, respektable Art und Weise.
Unwillkürlich hob sie die Hand und befingerte den Stein zwischen ihren Brüsten, der kühl und dunkel auf ihrer Haut lag. Brendan liebte niemand anderen als sich selbst. Das war schon immer so gewesen und würde sich auch niemals ändern.
Als sie dann jedoch zwischen die Laken schlüpfte und die Kerze ausblies, blieb sein Geschenk an ihrem Hals und sein Gesicht in ihrem Gedächtnis eingeprägt.
Sie wusste nicht, wen sie im Moment mehr hasste. Brendan, weil er gekommen war, oder sich selbst, weil sie deshalb so aufgeregt war.
Elisabeths Ankleidezimmertür öffnete sich an lautlosen Angeln. Dicke Teppiche erstickten jeden seiner Schritte. Dem Himmel sei Dank für die Annehmlichkeiten des Reichtums! Sie machten das Einbrechen sehr viel leichter.
Ihre Schlafzimmertür war geschlossen, was ihm die Möglichkeit gab, einen Kerzenstummel anzuzünden. Er setzte sich an die zierliche Rosenholz-Frisierkommode, auf dem sich praktischerweise ihr Schmuckkästchen befand. Als er den Inhalt durchstöberte, fand er ein herzförmiges Medaillon mit Miniaturen ihrer Eltern, ein kleines Bernsteinkreuz, zwei prachtvolle Perlenketten, eine Rauchquarzkette und ein auffallendes Kollier mit Saphiren im Wert eines Lösegeldes für einen Radscha. Natürlich fand er auch Ohrringe und Armbänder, goldene und silberne Kämme, Ringe und Broschen.
Aber keinen Anhänger.
Durchwühlte Schubladen förderten Kosmetiktiegel und Lotionen zutage, Parfumfläschchen und Päckchen mit Haarnadeln und -bändern, Handschuhe, Schnürsenkel und einen zerbrochenen Stickrahmen.
Doch keinen Anhänger.
Verärgert stieß er einen Seufzer aus. Wo zum Teufel hatte sie ihn hingelegt?
Er begann noch einmal von vorn und suchte dieses Mal noch gründlicher. Griff in jeder Schublade in die hintersten Ecken und zog Stück für Stück aus ihrem Schmuckkasten, um es dann, wie er hoffte, an den richtigen Platz zurückzulegen.
Das Ankleidezimmer enthielt tausend Ecken, in denen eine Frau eine Halskette verstecken konnte. Schränke, Tische, Sekretär – er suchte jedes Möbelstück sehr gründlich ab. Er schob sogar eine Hand unter die Sesselkissen und klopfte die Kacheln am Kamin ab, um nach einem geheimen Fach zu suchen.
Außer zwei angekauten Bleistiftstummeln, vier Knöpfen, einer zerknüllten Wäscheliste und einer Handvoll Haarnadeln fand er jedoch auch in den Ecken nichts.
Ein gedämpftes Geräusch aus dem Schlafzimmer ließ ihn innehalten. Nachdem er schnell die Kerze ausgeblasen hatte, erstarrte er förmlich, hielt den Atem an – und räumte das Feld.
Vorläufig.
Kapitel Drei
D er Büfetttisch ächzte buchstäblich unter den Platten mit Eiern, Würstchen, dicken Scheiben Schinken, kalter Zunge und Körben mit Brötchen und Toast. Tee und Kaffee standen in silbernen Kannen auf einer
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