Verlockendes Dunkel
finden?
»Ich dachte, der junge Mann sei einer von ihnen, der schließlich doch gekommen war, um mich zu töten«, bemerkte Daz, worauf Brendan aus seinen Gedanken aufschreckte und seufzend zum Thema und dem Mann vor sich zurückkehrte.
Er hatte Jack zu Daz geschickt, um ihm den Ring des alten Archie, eines von Brendans Vorfahren, herzubringen, aber nicht auch gleich Daz Ahern. Außerdem hatte er keine Lust, alte Erinnerungen zu durchstöbern.
»Aidan glaubt, sie werden nicht mehr kommen. Er meint, ich sei sicher vor den Amhas-draoi , doch ich habe ihm gesagt, dass die niemals vergessen. »Mit besorgter Miene steckte Daz eine Hand in seine Jackentasche. »Sie werden nicht aufgeben. Nicht, bis wir alle tot sind. Bis wir für unsere Taten mit unserem Leben bezahlt haben.«
»Du hast mit Aidan gesprochen?«
Daz hörte auf, in seiner Tasche herumzuwühlen. »Aye, er kam im letzten Frühjahr mit dem Tagebuch und dem Mädchen.« Wieder griff er in die Jackentasche, förderte einen Kirschkern, eine Entenfeder und ein verbogenes Stöckchen zutage und legte alles auf den Tisch. »Reizendes Ding, die Kleine, aber ich weiß nicht, ob ich die Geschichte glauben soll, wie sie sich kennenlernten. Angeblich erwischte Aidan sie beim Einbrechen in sein Stadthaus. Die hübscheste Mätresse, die ich je gesehen hab.«
Brendan lachte rau. »Aidan hatte schon immer ein Händchen für Frauen.«
»Er wollte über damals sprechen. Wollte wissen, wie es war«, sagte Daz mit gesenkter Stimme und warf einen besorgten Blick über die Schulter. »Ich habe es ihm erzählt, Brendan. Alles, sogar die schlimmsten Sachen. Die, über die wir nicht nachdenken wollten. Die Dinge, die wir getan haben. Du, ich und die anderen. Es war schlimm für ihn. Sehr schlimm. Ich glaube nicht, dass er wusste, wie weit wir gegangen waren.«
»Nein, er wusste nichts davon. Vater und ich hielten es für das Beste so.«
Aber wie viele Male hatte Brendan sich gewünscht, sich seinem Bruder anvertrauen zu können! Wie viele Briefe nach London hatte er an ihn geschrieben, nur um sie dann in den Kamin zu werfen. Zuerst aus Angst und später, weil er seinen Bruder nicht in etwas hineinziehen wollte, was sich zu einer äußerst explosiven Situation entwickelte. Das Beste war, ihn in London zu halten, wo er aus dem Weg und sicher war.
Brendans Hand umklammerte so fest den Krug, dass das Bier überschwappte. »Dass er die Wahrheit herausfand, war unvermeidlich, nachdem er Vaters Tagebuch entdeckt hatte.«
»Seine Lordschaft ist dem alten Earl viel ähnlicher, als ich dachte. Auf jeden Fall hat er sein unbeherrschtes Naturell. Er verfluchte mich für das, was ich getan hatte, und drohte mir, mich eigenhändig zu töten. Ich kann es ihm nicht verübeln. Ich verdiene das und noch viel mehr.«
Brendan schluckte, als sich ein heißer Kloß in seiner Kehle bildete und seine Hände zu zittern begannen. Der Zorn seines älteren Bruders war verständlich; schließlich war er für Brendans Verbrechen fast gestorben. Trotzdem verstärkte dieser Zorn nur Brendans Einsamkeit.
»Deshalb bin ich mit Mr. O’Gara hergekommen. Er wollte nicht, dass ich mitkam. Sagte, ich hielte ihn nur auf. Aber ich ließ ihn ohne mich nicht fort, sondern sperrte ihn in einen Schrank, bis er versprach, mich zu dir zu bringen. Kannst du mir je verzeihen, Brendan?«
»Weil du Aidan die Wahrheit gesagt hast?«
»Nicht wegen des jungen Kilronan. Weil ich …« Wieder blickte sich Daz verstohlen um, »es ihnen erzählt habe. Weil ich dein Vertrauen missbraucht habe. Es ist meine Schuld. Alles meine Schuld.«
»Wovon redest du?«
Daz schob seinen Stuhl zurück, sprang auf und zog das Revers seines Jacketts zurück, unter dem ein schmutziges Hemd zum Vorschein kann. Dann kniff er die Augen zu. »Töte mich! Ich verdiene es!«
Mehr als ein erstaunter Gast sah auf.
»Beruhig dich, Daz! Und setz dich wieder!«
»Es hat keinen Zweck, Brendan. Ich habe dich an sie verraten. Dafür verdiene ich zu sterben. Stoß mir deinen Dolch ins Herz! Bis ans Heft!«
Brendan tat das Spektakel mit einem Lachen ab und lächelte den neugierigen Zuschauern zu. »Es ist alles in Ordnung, Leute. Er ist Schauspieler und probt eine neue Rolle. Aber er ist richtig gut, nicht wahr?« Bevor er sich wieder Daz zuwandte, flüsterte er: »Zum Kuckuck, Mann! Halt die Klappe und setz dich, bevor ich dich knebele!«
»Du hast jedes Recht, böse auf mich zu sein, Brendan. Ich habe dich verkauft. Dein Leben gegen meines eingetauscht.
Weitere Kostenlose Bücher