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Verlockendes Dunkel

Verlockendes Dunkel

Titel: Verlockendes Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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zu können. Ihm klarmachen zu können, wo die Neun von ihrem Weg abgekommen waren. Ihm all die grimmigen Schlussfolgerungen darlegen zu können, zu denen Brendan in Stunden, Tagen und Wochen der Planung gelangt war.
    Doch ein solches Gespräch hatte niemals stattgefunden.
    Er hatte nie die Kraft oder den nötigen Mut aufbringen können. Sein Vater hatte immer den goldenen Sohn in ihm gesehen. Den Stolz des Hauses. Gegen Aidans Sportlichkeit, Vollkommenheit und Charme war es eine Quelle der Befriedigung gewesen, in irgendeiner Weise als überlegen zu gelten.
    Seine Ängste zu gestehen oder seinen Verrat zu offenbaren, hätte mit dem Verlust dieses für ihn so kostbaren Status geendet. Deshalb hatte Brendan schließlich nichts gesagt und nichts getan.
    Und dann war sein Vater durch die Klinge eines Amhas-draoi gestorben, und Brendan war um sein Leben gerannt.
    Er lachte, bis ihm die Tränen kamen. Seine Brust schmerzte, seine Rippen pochten, und sein Atem kam in unregelmäßigen Zügen. Ein Gefühl erfasste ihn, das er in zu vielen Jahren, die zu dunkel und schmerzlich gewesen waren, nicht mehr erfahren hatte.
    Hoffnung.

Kapitel Zweiundzwanzig
    W as meinst du?«
    Elisabeth hielt das Kleid vor sich und drehte sich nach links und rechts, während Killer sie von seinem gewohnten Platz auf ihrem Bett aus beobachtete.
    »Ich weiß«, sagte sie zu ihm. »Gut, dass ich den Rat der Schneiderin befolgt habe. Es sieht viel besser aus, als ich nach der Abbildung in La Belle Assemblé e dachte.«
    Der Spiegel zeigte ihr ein Kleid aus hochmodischem bedrucktem Musselin, das an Saum und Kragen apfelgrün gepaspelt war und elegante Raglanärmel hatte. Der Schnitt lenkte den Blick auf ihre Größe und ließ ihre nicht gerade spindeldürre Figur schmaler erscheinen, als sie war. Und die Farbe brachte einen Hauch von Grün und Gold in ihre braunen Augen.
    In einem verzweifelten Versuch, die unvergesslichen Bilder, die der Spiegel ihr gezeigt hatte, nicht wieder in sich aufleben zu lassen, griff sie nach einem zweiten Kleid, das aus aprikosenfarbener Seide war. Es hatte einen wundervollen Glanz im Licht der späten Nachmittagssonne, die durch das Fenster fiel, als sie es sich vorhielt und sich vor den Spiegel stellte. Sie liebte das Gefühl der kühlen Seide an ihrer Haut und die Farbe, die goldene, bronze- und kupferfarbene Glanzlichter auf ihr Haar warf. Nie wieder würde sie schöne Kleider als etwas Selbstverständliches betrachten.
    Sie lächelte, als sie sich an den erwartungsvollen Blick erinnerte, mit dem Brendan ihr sein Geschenk gezeigt, und an die fast schon schüchterne Art, mit der er ihr die Stoffballen übergeben hatte. Als hätte er befürchtet, sie würde sein Geschenk zurückweisen. Als bedeutete es ihm etwas, was sie dachte. Es war eine wunderbare Erkenntnis gewesen, denn früher hatte Brendan nie gekümmert, was sie dachte, fühlte oder tat.
    Elisabeth biss die Zähne zusammen, um die bitteren Tränen zurückzuhalten, die hinter ihren Augen brannten. Sie würde nicht weinen. Madame Arana hatte gesagt, der Spiegel zeige Möglichkeiten auf. Und da es nicht zu sagen war, wie sich die kleinste Wendung der Ereignisse auf die Zukunft auswirkte, war Elisabeth fest entschlossen, positiv zu denken. Brendan würde nicht sterben. Er würde zu ihr zurückkehren, und sie würden als Ehepaar nach Dun Eyre reisen. Wenn sie nur fest genug daran glaubte, konnte sie es so geschehen lassen.
    Sie legte das Kleid aufs Bett und warf einen besorgten Blick aus dem Fenster. Wer auch immer zuhören mag – ich flehe euch an, ihn zu beschützen! Lasst ihn nicht wieder aus meinem Leben verschwinden!
    Der heutige Tag war von geflüsterten Gesprächen und besorgten Blicken geprägt gewesen. Irgendwann war Madame Arana ausgegangen und wenig später auch Helena. Sie waren inzwischen schon seit Stunden fort. Beide hatten Elisabeth jedoch vor ihrem Weggehen versichert, dass Rogan bleiben würde, falls es Ärger geben sollte. Sie sei hier sicher, hatten sie gesagt.
    Wie auf ein Stichwort hin drangen plötzlich Harfentöne die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf und schwollen zu einem lebhaften, fröhlichen Rhythmus an, bei dem man gar nicht anders konnte, als mit den Füßen mitzuwippen. Er hellte Elisabeths düstere Stimmung auf, und sie ertappte sich beim Mitsummen, bevor sie zu einer harmonischen Begleitung fand, die die süße, heitere Melodie noch zu verstärken schien. Selbst Killer wackelte mit seinem Stummelschwänzchen, seine dunklen Augen

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