Verlockendes Dunkel
einzuprägen. Die prickelnde Spannung zwischen ihnen schien sich zu verdichten, und Elisabeth hielt ganz unbewusst den Atem an.
»Nein«, gab er schließlich zu und ließ seine Hand wieder sinken. »Obwohl es jammerschade ist.«
Wie schaffte er es nur, dass es sie heiß und kalt zugleich überlief? Dass ihr Magen einen Satz machte und zu flattern begann und ihre Kehle eng wurde? Das war nicht fair – und dürfte nicht so sein. Es war ungehörig. Unschicklich. Geradezu beschämend. Sie riss sich von ihm los, um die Galerie entlangzumarschieren. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust, als wollte sie einen Schlag abwehren. »Gordon ist alles, was man sich bei einem Ehemann nur wünschen kann. Er stammt aus einer guten Familie und ist verantwortungsbewusst, vertrauenswürdig und zuverlässig.«
»Hört sich an wie die Beschreibung eines Schäferhundes, den ich mal hatte.«
»Mach du ruhig deine Witze! Aber solltest du auch nur eine Andeutung fallen lassen, wer du wirklich bist, so schwöre ich dir bei Gott, dass ich dich eigenhändig umbringe.«
»Wie blutrünstig du bist, meine süße, flatterhafte Lissa!«
»Nenn mich nicht so! Und ich bin nicht flatterhaft.«
Er trat hinter sie und beugte sich so nahe vor, dass sein warmer Atem ihren Nacken kitzelte. In seiner Stimme schwangen Spott und unterdrücktes Lachen mit. »Nein? Und warum trägst du dann am Vorabend deiner Hochzeit ein Geschenk von einem anderen Mann?«
Statt ihren Ausflug zu genießen, verbrachte Elisabeth ihn mit sorgenvollen Überlegungen, was in der Zwischenzeit zu Hause vorgehen mochte. Bilder von Brendan, wie er ihre Hochzeit störte, verzögerte oder gar zunichtemachte, gingen ihr unablässig durch den Kopf. Sie hatte zwar keine Ahnung, was genau er tun könnte, aber dass er seine helle Freude daran hätte, für Aufregung zu sorgen, daran zweifelte sie keine Sekunde lang. Er war ein kolossaler Unruhestifter, jemand, der mit Vergnügen seinen Schabernack mit anderen trieb und sich an Chaos und Durcheinander weidete. Und falls sie ihn enttarnte, würde sie bis zum Hals in beidem stecken.
Geteiltes Leid ist halbes Leid, würde Tante Pheeney sagen. Nur hatte Elisabeth leider niemanden, mit dem sie ihre Sorgen teilen könnte. Denn obwohl sie Brendan etwas anderes erzählt hatte, hielt sein Bruder, Lord Kilronan, sich keineswegs zu Hause auf, und niemand wusste, wann er zurückerwartet wurde. Lady Kilronan war noch kein ganzes Jahr mit Aidan Douglas verheiratet und wusste vielleicht gar nichts von Brendan. Aidan könnte es vorgezogen haben, über diese unerfreulichen Einzelheiten seiner Familiengeschichte Schweigen zu bewahren.
Nein. Das Beste war, den Mund zu halten. Brendan würde wieder verschwinden, und dann würde alles wieder so wie vorher sein. Sie würde Gordon heiraten und als seine Frau mit ihm nach London gehen.
London. Sie hatten darüber gesprochen, und Gordon hatte sich mit Begeisterung und Freude über ihr neues Leben dort geäußert. Seine Stellung als Assistent eines Staatssekretärs im Schatzamt war eine so großartige berufliche Gelegenheit gewesen, dass sie Gordon zuliebe lächelnd genickt und das Thema beiseitegeschoben hatte, um sich später damit zu befassen. Aber aus später war jetzt geworden.
Ihre Hände verkrampften sich um ihr Retikül. Mr. Adams ersetzen? Was dachte Gordon sich dabei? Der Verwalter hatte den Fitzgeralds von Dun Eyre schon zu Lebzeiten von Elisabeths Großvater gedient. Er kannte jeden Stein, Stock, Pächter und Bediensteten auf dem Besitz. Mr. Adams konnte aus der Erinnerung die jeweiligen jährlichen Ernteerträge aufzählen, erinnerte sich bis auf den Penny genau, was für Ausgaben er während jeder einzelnen Saison getätigt hatte, und er liebte Dun Eyre ebenso sehr wie sie selbst. Und wer, bitte schön, sollte ihn ersetzen? Ein Fremder, der das Haus renovieren und ›verbessern‹ würde, bis es nicht mehr als ihr Zuhause zu erkennen war? Jemand, der im Namen der neuesten Mode die Zerstörung der geliebten Gärten ihrer Großmutter beaufsichtigte?
Elisabeth griff nach ihrem Anhänger, bevor sie sich erinnerte, dass sie sich das verhasste Ding nach dem höchst unerfreulichen Gespräch mit Brendan mit Tränen in den Augen vom Hals gerissen und in ihren Schmuckkasten geworfen hatte. Sie hätte es wieder anlegen sollen, um es von den Klippen werfen und ein für alle Mal vergessen zu können. Aus ihrer Wut auf Gordon wurde unversehens Zorn auf Brendan.
Was fiel ihm ein, sie so zu hänseln?
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