Verlockendes Dunkel
Gordon!«, sagte er und winkte dem Hund.
»Das ist nicht witzig«, erklärte Elisabeth mit tränenerstickter Stimme. Aber sie beherrschte sich, denn dass er sie weinen sähe, wäre die endgültige Demütigung für sie.
Einen Moment wirkte er fast zerknirscht. »Tut mir leid. Das war ein dummer Scherz. Er hört sowieso nicht darauf. ›Killer‹ ist ihm lieber.« Der Hund sprang auf und wedelte mit dem kurzen Schwanz. »Siehst du?«
Elisabeth schluckte und musste nun doch wider Willen lächeln. Brendan sollte eigentlich nicht charmant sein, sondern auch weiterhin grob, herrisch und arrogant, weil das es ihr viel leichter machte, ihn zu hassen. »Na, dann geh mit Killer hinaus! Ich rufe, wenn ich präsentabel bin.«
»Präsentabel? Wir besuchen nicht die Königin.«
»Raus!«
Killer trabte hinterher, als Brendan die Tür aufstieß und fluchend in den strömenden Regen hinaustrat.
Endlich allein, schlüpfte Elisabeth aus ihrem Nachthemd. Ganz bewusst vermied sie jeden Gedanken an seine frühere Besitzerin, als sie den Putzlappen aufhob, der als Kleid herhalten musste, und das Ding über den Kopf streifte. Die Person, die es Brendan verkauft hatte, war erheblich dünner, flachbrüstiger und gute zehn bis zwölf Zentimeter kleiner gewesen. Die Seitensäume hielten kaum noch, und auch das Oberteil drohte zu platzen, wenn sie nur tief Luft holte. Außerdem roch das Ding nach Schweiß und stinkendem Käse. Elisabeth rümpfte die Nase und tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nur ein vorübergehendes Übel war. Sowie sie Dublin erreichten, würde sie das Kleid verbrennen und sich ein langes, heißes Bad gönnen, um den Geruch und Schmutz wieder loszuwerden.
»Können wir hereinkommen?«, ließ sich eine gereizte Stimme hören. »Killer wird weggeschwemmt, und mir wachsen langsam Kiemen.«
Elisabeth hatte soeben ihre Strümpfe übergestreift und richtete sich auf. »Killer darf herein. Du kannst meinetwegen ertrinken.«
Brendan war von Kopf bis Fuß durchnässt, und die Haare klebten ihm am Kopf, als er auf nassen Stiefeln hereinpatschte. »Was für ein verdammtes Unwetter da draußen!«
Elisabeth bückte sich, um die abgetragenen Halbstiefel zuzuschnüren. Es war kaum zu glauben, aber die Dinger passten. Sie stand auf, schüttelte die Röcke aus und zupfte die Schürzenbänder zurecht, als ließe sich mit noch so viel Mühe aus diesem Lumpen etwas halbwegs Anständiges machen. »Bestehe ich?« Sie drehte sich vor Brendan. »Bin ich schmutzig, schlampig und stinkig genug für dein skrupelloses, durchtriebenes Ich?«
Ein Lächeln glitt über sein müdes Gesicht. »Das ist meine Lissa! Wenn du aufhörst, mich zu beleidigen, werde ich anfangen, mich um dich zu sorgen.« Sein Blick glitt sichtlich skeptisch über ihr neues Erscheinungsbild. »Nicht gerade ein Ackermann -Modell, doch es wird schon gehen.« Er starrte sie noch einen langen Moment an, bevor er sich räusperte, auf dem Absatz herumfuhr und sich daranmachte, seine Sachen einzusammeln und in seinen Satteltaschen zu verstauen.
Elisabeth griff nach Brendans Mantel und legte ihn sich um die Schultern. Sein maskuliner Duft, eine Mischung aus dem würzigen Geruch von Feld und Wald, Schweiß und irgendeinem fremdartigen Aroma, haftete dem dicken Wollstoff an. »Wenn du aufhörst, mich zu beleidigen, werde ich beginnen, mich um dich zu sorgen.«
Er warf ihr ein weiteres mutwilliges Lächeln zu, bei dem ihr ganz seltsam weh ums Herz wurde. Rasch wandte sie sich ab.
»Untersteh dich!«, zischte Elisabeth, als Brendan sie auf Onwen hinaufheben wollte. »Soweit ich mich erinnere, kann ich noch sehr gut allein ein Pferd besteigen.«
Mit einem zustimmenden Nicken trat Brendan zurück. »Nur zu! Dich hochzuheben ist nicht die leichteste Aufgabe.«
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, als sie die Zügel in die Hand nahm und sich auf Onwens Rücken schwang. »Ich werde so tun, als hätte ich das nicht gehört.«
Als er hinter ihr aufstieg, tänzelte die Stute nervös und warf den Kopf zurück, doch eine feste Hand und ein sanftes Wort beruhigten das Pferd schnell wieder. Sie hatten den Hof der Farm noch nicht verlassen, aber der Regen durchdrang bereits den Überzieher, den Brendan ergattert hatte, und tropfte von seinem Hut in seinen Nacken. Der Kalender mochte den frühen April anzeigen, doch die Kälte fühlte sich mehr nach Februar an, und es goss in Strömen. Onwens Hufe versanken im Schlamm, da die Straße zu einem regelrechten Sumpf geworden war.
Der
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