Verlockendes Dunkel
das schwöre ich dir bei meiner Ehre.«
Erst lange, nachdem sie ihn allein gelassen hatte und das Feuer zu kalter Asche heruntergebrannt war, kam ihm zu Bewusstsein, dass die Stimmen stumm blieben. Die Geister hatten sich zurückgezogen. Nur ein Gesicht war wie eingebrannt in seinem Kopf – das einer temperamentvollen Schönheit mit warmen dunklen Augen. Nur eine Stimme rief ihn mit rührender Unsicherheit.
Brendan ballte die Hand zur Faust, bis sie schmerzte, und sagte flüsternd zu dem leeren Raum: »Bei meiner Ehre.«
Wozu auch immer das noch gut sein mochte.
Kapitel Dreizehn
B rendan durchsuchte Helena Roseingraves Bücherregale. Nicht gerade ein Füllhorn von Forschungsmaterial, aber es würde genügen müssen.
Er war erst kurz vor Morgengrauen zu Bett gegangen und sofort in einen Wirrwarr bizarrer Träume verfallen. Was an und für sich nichts Ungewöhnliches war. Ohne die ständigen Albträume zu schlafen, war ein seltenes Ereignis. Aber diese Träume waren anders gewesen. Nicht die üblichen gespenstischen Heimsuchungen, die ihn in kalten Schweiß ausbrechen ließen. Nein, diesmal war er über ein Schlachtfeld voller Leichen gelaufen, während die untergehende Sonne rot durch einen rauchverhüllten Himmel schien. Vereinzelte Feuer brannten, denen die Leichen Anderer immer wieder neue Nahrung gaben; und Diebe und Marketenderinnen beraubten die Toten und Sterbenden. Rauch, Schießpulver und der Gestank von brennendem Fleisch legten sich auf Brendans Zunge und verbrannten ihm die Nase. Sein Körper schmerzte, aus einer Wunde an seinem Kopf floss Blut, doch er hielt sich mit einem aus Furcht geborenen Willen auf den Beinen. Aidan war irgendwo hier draußen. Sein Bruder lag zwischen den Gefallenen. Dabei dürfte er gar nicht hier sein, denn dies war nicht sein Kampf.
Ob er will oder nicht, dies wird sein Kampf werden. Er ist ein Anderer . Und du bist sein Bruder. Er wird kommen, um dich zu holen.
Der König stand hinter ihm. Das sonst so flammend rote Haar klebte ihm verschwitzt und blutig am Schädel. In der Hand hielt er ein zerbrochenes Schwert, mit dem er auf eine Stelle auf dem Schlachtfeld wies.
Da. Zwischen einem Haufen Toter mit verdrehten Gliedmaßen und leeren, zum Himmel starrenden Augen lag Aidan. Brendan sank auf die Knie und drückte seinen Bruder an die Brust.
Dachtest du, wir könnten gewinnen? Du hättest es besser wissen müssen. Artus’ Geschichte kann nur so enden. Es ist mein Fluch und mein Schicksal. Die Magier haben gesprochen. Was können bloße Sterbliche dagegen tun? Was kannst du tun?
Brendan erwachte schaudernd, und eine Welle der Übelkeit stieg in ihm hoch. Der Kummer des Königs lag schwer wie ein Stein in seiner Brust. War dieser Traum eine Vorwarnung gewesen? Eine Vorahnung? Oder nur ein durch eine Lebensmittelvergiftung erzeugter schlechter Traum?
Die Sonne ging auf, und Brendans Kopf war voller Fragen und schwer vor Erschöpfung. Wenn er schon träumen musste, warum dann nicht von Elisabeth? Von ihrem geschmeidigen Körper, von ihren glutvollen Augen und der Hitze ihres Geschlechts.
Brendan rieb sich das Gesicht, als könnte er die Erinnerung an sie aus seinem Gehirn löschen. Aus purem Schuldbewusstsein hatte er dieser Ehe zugestimmt. Er würde Elisabeth seinen Namen geben, um ihre Ehre wiederherzustellen, das ja, aber er weigerte sich, sich irgendwelchen anderen Überlegungen hinzugeben. Nicht, wenn seine Zukunft so unsicher blieb und auch nur in seiner Gesellschaft zu sein ihr schon den Tod einbringen konnte.
Er hatte Unglück und Tod über alle gebracht, die er je geliebt hatte. Er würde nicht Elisabeth der Liste derer hinzufügen, die ihm zu nahe gekommen waren und sich verbrannt hatten. Allein zu sein war für ihn das Beste. Allein zu sein bedeutete, dass niemand verletzt wurde. Alleinsein bedeutete Sicherheit.
Absolut überzeugt von diesem Punkt, zog er einen Stuhl heran, öffnete das Buch und suchte im Inhaltsverzeichnis nach irgendeiner Erwähnung König Artus’. Was hatte er versäumt? Wo hatte er versagt? Und was konnte er sonst noch tun, um Máelodor aufzuhalten?
»Irgendetwas ist geschehen.« Madame Arana stand in der Tür, mit ernster Miene und einem merkwürdigen Glühen in den Augen. »Ich fühle die Veränderung.«
Brendan schrak auf. »Lissa? Ist alles in Ordnung mit ihr? Was ist …«
Die alte Dame lächelte. »Miss Fitzgerald geht es gut. Ob das so bleibt, liegt bei Ihnen. Doch das wissen Sie ja schon, nicht wahr? Die Sicherheit von uns
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