Verlockendes Dunkel
einen Hinweis gab. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass deine Selbstachtung keineswegs gefährdet ist.«
In seinem Spiel und seinen erotischen Fantasien verloren, bemerkte er ihr zunehmendes Unbehagen nicht, bis sie mit den Fingern auf die Tasten schlug und ihn anfuhr: »Musst du dieses grässliche Stück spielen? Ich bin es wirklich gründlich leid.«
Brendan zog eine Augenbraue hoch. »Hast du etwas gegen den alten Amadeus?«
»Es … nein, natürlich nicht«, erwiderte sie schnell. »Ich mag nur dieses eine Stück nicht. Spiel doch bitte etwas anderes!«
Er überlegte kurz, bevor er zu den schlichten, süßen Tönen eines alten Volksliedes überging. Eines Liedes, das ihn immer an nebelverhangene Klippen, das Rauschen des Ozeans und sein Zuhause erinnerte.
Nach Irland zurückzukehren hatte Dämonen entfesselt, die in Ketten zu legen ihn Jahre gekostet hatte.
Erinnerungen an Menschen freigelegt, die er geliebt hatte. An Menschen, denen er wehgetan hatte.
Die Schatten seiner Vergangenheit bewegten sich jetzt frei und ungehindert durch seinen Kopf.
Bei seiner Flucht von Belfoyle hatte er versucht, sich mit einer kalten, spöttischen Verachtung zu wappnen, seiner einzigen Waffe gegen die schmerzliche Einsicht, dass ihm sein Leben unter den Füßen weggerissen wurde. Verachtung war ein leichter zu ertragendes Gefühl als bittere Verzweiflung. Und sogar das hatte er nur mit großen Mengen Alkohol und später Opium in all seinen zerstörerischen Formen ertragen können.
Er würde diesen Weg nicht wieder wählen. Doch welche andere Erlösung blieb ihm? Wie sonst sollte er die Stimmen ersticken?
Brendan sah von den Tasten auf zu Elisabeths feurigen dunklen Augen und ihrem leuchtend roten Haar, aus dem sich eine Strähne gelöst hatte und sich verführerisch in ihrem Nacken kringelte. Wusste sie, was sie von ihm verlangte? Verstand sie, was er war? Und würde sie nur ein weiterer Name auf der verdammten Liste derer sein, die er verletzt hatte? Ein weiteres Gesicht, das ihn im Traum verfolgte?
Auf unsicheren Beinen sprang er auf und stolperte von dem Piano weg. Nein, das würde er nicht zulassen! Er mochte alle anderen enttäuscht haben, doch zumindest sie würde er davor bewahren. Selbst wenn ihm alles andere um die Ohren flog, war dies das eine, was er richtig machen konnte.
»Was hast du?« Sie berührte ihn, ganz flüchtig nur, aber selbst das genügte, um jede Faser seines Körpers zum Prickeln und sein Herz zum Rasen zu bringen, als wäre er kilometerweit gelaufen. »Ist es deine Schulter?«
Wenn es doch nur so einfach wäre!
Dies war Elisabeth. Das Mädchen mit den Sommersprossen und den roten Locken, mit dem er Fische in dem flachen Wasser unterhalb von Belfoyle gefangen hatte und über Felder und Weiden galoppiert war. Brendan versuchte, sich an dieses Bild in seinem Kopf zu klammern, doch es war eine Erinnerung, die schnell verblasste neben der Attraktivität der Frau, die vor ihm stand, der Schönheit ihres wohlgeformten Körpers und der Fülle ihres in tausend Rottönen schimmernden Haares.
Würde sie vor ihm zurückschrecken, wenn sie die Wahrheit wüsste? Würde sie es sich anders überlegen mit der Heirat, wenn sie verstünde, wer er war und was er war? Was er getan hatte?
»Diese Heirat, Lissa … Bist du sicher, dass du meine Frau werden willst?«
Sie versteifte sich. »Versuchst du, dich herauszuwinden? Es gibt nichts mehr, dessen ich mir sicher bin, aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.«
Er öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch die Worte blieben ihm auf der Zunge hängen, und der Moment zog sich in die Länge, während sie ihn fragend ansah.
Lauf, Lissa! Lauf vor mir weg, so schnell und weit du kannst!
Das war es, was er hatte sagen wollen, aber stattdessen senkte er den Mund auf ihren, und die Wärme ihrer Lippen linderte den Schmerz unter seinen Rippen und die Hitze ihres Körpers die Verzweiflung, die ihn in ihrem eisernen Griff gefangen hielt.
Elisabeth versteifte sich in seinen Armen, doch ihr leiser Protestlaut wich einem wohligen kleinen Seufzer, als seine Zunge über ihre Unterlippe strich und schließlich zwischen ihre Lippen glitt. Ihr Geschmack war berauschender als süßer Wein, und eine fiebrige Erregung durchströmte Brendan, als der Duft ihrer weiblichen Erregung aufstieg und sich mit dem blumigen ihres Parfums verband.
Eigentlich müsste sie Zeter und Mordio schreien und sich wehren, denn diese Frau war schließlich immer noch Elisabeth. Brendan
Weitere Kostenlose Bücher