Verlockendes Dunkel
aufpasste, würde sie sich seinetwegen noch vollkommen zum Narren machen – schon wieder mal.
»Ich wollte mir nur etwas zu lesen holen.« Konnte sie noch dümmer klingen? Als könnte er sich das nicht denken!
Er warf einen skeptischen Blick auf die wenigen Regale. »Falls du nicht zufällig ein Fan von Oghams mystischeren Werken bist oder etwas über die Kunst erfahren willst, einen Mann in zehn einfachen Schritten zu töten, hast du Pech gehabt, fürchte ich.«
»Schade. Doch da du beschäftigt bist, gehe ich lieber wieder.« Froh, einer unangenehmen Situation zu entkommen, ging sie rückwärts in Richtung Tür.
»Nein, warte! Du kannst mir helfen. Das heißt, falls du nichts anderes vorhast natürlich nur.«
Elisabeth rührte sich nicht. Das war ein Trick. Er würde sie hereinlocken und die Tür schließen, um sein Vergnügen mit ihr zu haben. Aber eigentlich sah er gar nicht so aus, als wäre er in Stimmung. Er schien nicht einmal besonders interessiert zu sein, sondern wirkte mehr besorgt, beunruhigt und frustriert. Und das ärgerte sie, wie nichts anderes es könnte.
»Es wird nicht lange dauern, das verspreche ich, und dann kannst du wieder deinen Beschäftigungen nachgehen.«
Die es nicht gab, doch das würde sie ihm natürlich nicht erzählen. »Du willst, dass ich dir helfe?«
»Ich habe dich darum gebeten, oder nicht? Hier. Lies das Verzeichnis in diesem Buch! Ich suche nach allem, was irgendwie mit Artus zu tun hat.«
Na schön. Wenn er den gestrigen Abend nicht zur Sprache bringen wollte, würde sie ihn erst recht nicht ansprechen.
Und so nahm sie ihren angeschlagenen Stolz zusammen und ging zu dem Tisch hinüber, an dem Brendan saß, zog ihm das Buch aus der Hand und blätterte die ersten Seiten durch.
Wann immer sie versucht hatte, Gordon bei seiner Arbeit zu helfen, hatte er ihr den Kopf getätschelt – nicht viel anders, als sie es bei Killer tat – und gesagt, zu viel Lesen zerfurche ihr hübsches Gesicht und trübe den Glanz in ihren Augen. Als wäre die Anstrengung einfach zu groß für ihr erbsengroßes Hirn, um davon verarbeitet zu werden, ohne dass es explodierte. Gut, das war vielleicht übertrieben hart, aber genau dieses Gefühl hatte sich ihr aufgedrängt, auch wenn Gordon rücksichtsvolle Worte gefunden hatte.
Etwas, worüber sie sich bei Brendan niemals hatte sorgen müssen, war Rücksichtnahme.
»Bist du sicher, dass du …«, begann sie.
»Wenn du nicht willst, ist das in Ordnung. Ich dachte nur, dass zwei Köpfe besser sind als einer. Geh ruhig wieder und untersuch dein Gesicht auf unerwünschte Sommersprossen oder übe Fächersprache – oder womit auch immer Frauen sich beschäftigen, wenn sie sich selbst überlassen sind. Ich kann die Verzeichnisse auch allein durchsehen.« Er griff nach dem Buch, das Elisabeth schnell aus seiner Reichweite wegzog.
»Du brauchst nicht gleich so schnippisch zu werden. Natürlich helfe ich dir.« Sie setzte sich ihm gegenüber und öffnete das Buch, fuhr langsam mit einem Finger an den Zeilen des Inhaltverzeichnisses entlang, bis sie einen Verweis entdeckte, und schlug dann das entsprechende Kapitel auf. »Was suchen wir eigentlich genau?«
»Hinweise auf Artus’ Begegnungen mit den wahren Magiern. Oder, genauer gesagt, einen Fluch. Einen über den König verhängten Fey molleth .«
»Warum sollte ein Fluch der Magier …«
Brendan beugte sich zu ihr vor und tippte auf ihre aufgeschlagene Seite. »Frag weniger und lies mehr!«
Wäre das Buch dicker gewesen, hätte sie versucht sein können, es ihm über den sturen Kopf zu ziehen. Aber so biss sie nur die Zähne zusammen und ließ sich tatsächlich von ihm zum Schweigen bringen. Was auch einfacher war, um ihre Verlegenheit wegen des gestrigen Abends in den Griff zu bekommen. Auch Brendans anscheinende Unbekümmertheit erleichterte es ihr.
Schweigend saßen sie zusammen da, blätterten Seiten um und fertigten Notizen an, während sich die Uhrzeiger auf dem Zifferblatt fortbewegten und Sonnenstrahlen durch das offene Fenster auf den Boden fielen. Die Geräusche eines schönen Frühlingsnachmittags verliehen der kameradschaftlichen Stille in dem Arbeitszimmer etwas Optimistisches.
Einmal blickte Elisabeth von ihrer Lektüre auf. Brendan saß über sein Buch gebeugt, die langen Finger in seinem wirren dunklen Haar und die gesenkten Wimpern auf den hohen Wangenknochen. Wimpern wie die eines Mädchens, dicht und schwarz. Manchmal kaute er beim Lesen an seinem Daumen, veränderte
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