Verlockendes Dunkel
der ein Fluch erwähnt wird, aber ich bin mir nicht sicher, ob es der gesuchte ist.«
»Schwer zu sagen«, meinte Brendan, ohne den Blick von der Seite zu erheben. »Sehr viele Schriften wurden von Duinedon, die Artus als Mythos abtun wollten, verändert und verdreht. Sie nahmen Teile der Wahrheit und verflochten sie zu einer Geschichte, die ihren Bedürfnissen entsprach. Auch ein Weg, die Anderen zu diskreditieren, uns ins Reich der Fabeln zu verbannen oder uns als Hexen und Hexer zu verbrennen.«
Seine Stimme hatte einen bitteren Klang, den sie noch nie zuvor bei ihm gehört hatte, und sein ganzer Körper versteifte sich.
»Also bedeutet diese Passage nichts?«
Er sah sie mit besorgter Miene an und tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Das wollte ich damit nicht sagen. Ich habe zwar noch nie etwas von diesem Merowinger Kriegsherrn gehört, über den der Autor schreibt, doch die Ähnlichkeiten mit Artus sind auf jeden Fall ziemlich unheimlich, nicht wahr? Sogar bis zu dem unschönen Ende.« Seufzend legte er das Buch beiseite und streckte die langen Glieder. Als er sich mit einer Hand durchs Haar fuhr und seine Schultern rollen ließ, weckte das Spiel seiner Muskeln unter seiner goldenen Haut den Wunsch in Elisabeth, seinen warmen Rücken zu massieren.
»Doch es spielt keine Rolle, was ich finde oder nicht«, sagte er mit nur mühsam unterdrückter Wut. »Ich weiß jetzt schon, wie alles ausgehen wird. Schließlich habe ich es immer wieder gesehen. Nach einem Krieg mit den Duinedon wären die Anderen bestenfalls verwundet, gebrochen und ruiniert – oder schlimmstenfalls gejagt und abgeschlachtet.« Brendan nahm Elisabeths Hand und verschränkte seine Finger mit den ihren. »Wir sind nicht unsterblich. Wir bluten, und wir sterben. Und falls ich es nicht verhindern kann, werden wir zu Tausenden sterben.«
»Aber das weiß Máelodor doch sicher. Er mag sich zwar eine Vorherrschaft der Anderen wünschen, muss jedoch wissen, dass das nie gelingen kann.«
»Er glaubt, er hielte die Trumpfkarte in der Hand.« Brendan schwieg einen Moment. Sein Kinn war angespannt, sein Blick so hart wie Stahl. »Die Unsichtbaren .«
»Aber in dem Buch steht, dass die Unsichtbaren in unserer Welt nicht überleben können, ohne einen menschlichen Wirt zu …« Elisabeth drehte sich der Magen um, als ihr die Wahrheit dämmerte. »Oh nein! Das kann er doch nicht tun!«
Brendan nickte grimmig. »Und ob. Er ist überzeugt davon, dass sie seine Herrschaft akzeptieren werden, um ihrer Gefangenschaft zu entkommen, doch sie werden nicht lange untertänig bleiben. Sie mögen zwar aus Ynys Avalenn verbannt worden sein, aber sie sind noch immer Magier und nicht weniger mächtig, nur weil sie Gefangene sind.«
Furcht lief Elisabeth in eisigen Wellen über den Rücken, bevor sie sie mit einer Panik überflutete, die ihre Zähne zum Klappern brachte und ihr den Magen umdrehte, bis sie kurz davor war, sich zu übergeben. Ihre Hände ballten sich unter ihren Brüsten zu Fäusten, als könnte sie damit das wilde Pochen ihres Herzens abmildern.
Máelodors Niederlage durch die Armeen der Duinedon würde die Rasse der Anderen vernichten. Sein Sieg dagegen, falls er mithilfe der Unsichtbaren zustande kam, könnte die ganze Welt vernichten.
Außerstande, die in ihrer Kehle aufsteigende Übelkeit zu bremsen, schlang Elisabeth die Arme um ihren Oberkörper. »Wie kann er so etwas auch nur erwägen? Was für eine Art von Mensch denkt sich einen solchen Wahnsinn aus? Was für ein Ungeheuer würde etwas so abscheulich Böses und Widerwärtiges heraufbeschwören?«
Brendans helle Augen verdunkelten sich vor Kummer und einem Anflug von Sorge, die er mit einem tiefen Atemzug jedoch sogleich wieder verbarg. »Ein Mann, der blind ist für alles außer seinen eigenen Fähigkeiten und seinem Stolz. Doch trotz allem, Lissa, schwöre ich dir, dass er dennoch nur ein Mensch ist.«
»Du riskierst viel mit dieser Störung.« Máelodor setzte sich im Bett auf und lehnte sich an die Kissen. Mit einer Hand fuhr er über seinen Schädel und die seltsamen, schuppigen Flecken darauf.
Die Frau neben ihm schlief weiter. Ihr strähniges schwarzes Haar und eine blutunterlaufene Wange waren das Einzige von ihr, das nicht unter einem Berg von Decken verborgen war. Máelodors ganzer Körper schmerzte von den abendlichen Anstrengungen, aber sein Glied pochte schon wieder vor Verlangen nach mehr. Sowie er sich um Oss gekümmert hatte, würde er die Frau wecken. Sie hatte ihre
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