Verlockendes Dunkel
Lektion gelernt. Diesmal würde sie sich ohne Kampf ergeben. Schade eigentlich, weil das bedeutete, dass er eine andere Möglichkeit würde finden müssen, um sein Vergnügen zu verlängern.
Oss kam zum Bett hinüber und überreichte Máelodor einen Brief. Wie immer registrierte der gleichgültige, milchige Blick des Albinos kaum die abgelegten Kleider, das zerwühlte Bett oder die schlafende Hure. Auch auf die allmähliche Verwandlung des Körpers seines Herrn durch die Magie der Unsichtbaren , die langsam von Máelodor Besitz ergriff, reagierte er nicht einmal mit einem Wimpernzucken.
Auch Oss hatte seine Lektion gelernt.
Máelodor riss den Brief auf und überflog den Inhalt. Freudige Erregung durchströmte seine deformierten Glieder und ließ seine gichtgekrümmten Hände zittern. Der Sieg war nahe. »Bereite meine Reisekutsche vor! Wir fahren nach Cornwall. Der Stein wurde gefunden.«
Kapitel Sechzehn
D ie Schankstube stank nach Schweiß, Urin und schalem Whiskey. Brendan rümpfte die Nase und gab vor, das höllische Gebräu zu trinken, obwohl das schmierige Glas bisher nicht einmal seine Lippen berührt hatte.
Dem Anschein nach war er hierhergekommen, um Máelodors Jäger anzulocken, aber in Wirklichkeit hatte Brendan sich einfach nur von seiner nicht endenden Gedankenflut befreien wollen. Etwas, was innerhalb der Mauern des Hauses auf der Duke Street schlicht unmöglich war. Doch auch hier war es nicht viel leichter, da jeder Neuankömmling seinen Puls zum Rasen brachte und seine Hand sich unwillkürlich um den Griff des Dolches unter seiner Jacke schloss.
Seine Erfahrung sagte ihm, dass er das Schicksal herausforderte und es besser wäre, seine eigene Regel zu befolgen und sich so weit wie möglich von Elisabeth fernzuhalten. Rogan, Helena Roseingrave und er selbst hatten Spuren gelegt und Hinweise gesät. Nichts zu Offensichtliches, aber es war mit Sicherheit schon einiges an all den richtigen Stellen durchgesickert. Máelodor würde inzwischen wissen, dass Kilronans Erbe in Dublin wiederaufgetaucht war und somit eine leichte Beute für Máelodors Kopfgeldjäger war. Was bedeutete, dass die Zeit knapp wurde und nichts mehr sicher war. Weil bei jedem Schritt, den er unternahm, um seine Freiheit zu gewährleisten, die Umstände beschlossen, sie ihm wieder zu entreißen.
Brendan war in Rogans Begleitung hierhergekommen, doch schon kurz nach ihrer Ankunft hatte sich der Harfenist mit einer Frau mit sanften Rundungen und harten Augen in ein Hinterzimmer zurückgezogen.
»Ich wäre dir dankbar, wenn du das mit Lyddy für dich behalten würdest. Helena hat sehr gehobene Vorstellungen und mag meine Frauen nicht«, hatte Rogan mit einem verlegenen Lächeln gesagt.
Brendan hatte daraufhin nur sein Glas gehoben und ihm zugeprostet, bevor das Pärchen Arm in Arm und unter viel Gekicher hinter einem Vorhang verschwunden war, der zu einem Gang mit Zimmern führte.
Als er nun nach seiner Uhr griff, erinnerte er sich plötzlich wieder, dass sie sich in einem Pfandhaus in der Nähe des Arran Quay befand. Nun ja, dann würde er eben einfach glauben müssen, dass mindestens eine halbe Stunde vergangen war, seit Rogan mit der Frau verschwunden war. Wo zum Teufel blieb der Kerl?
Während er wartete, trat ein Mann ein und suchte sich einen Platz in einer stillen Ecke. Er war von mittlerer Größe und hatte struppiges schwarzes, von silbernen Strähnen durchzogenes Haar, und seine schäbigen Kleider sahen so aus, als hätte er sie einem Bettler weggenommen. Eine fadenscheinige alte Jacke, eine Hose, die gerade noch seine Knie bedeckte, und Schuhe mit rissigen Sohlen, die von Bindfäden zusammengehalten wurden.
Brendans Muskeln spannten sich plötzlich in Erwartung kommenden Ärgers an, und vorsichtshalber ließ er eine Hand zu seinem Dolch hinuntergleiten. Es gehörte zwar zu seinem Plan, Máelodors gedungene Mörder zu sich heranzulocken, doch es war nicht leicht, Jahre der Disziplin hintanzustellen. Und natürlich hatte er nicht vor, sich kampflos zu ergeben.
Die Tür öffnete sich wieder, und diesmal kam eine Gruppe lärmender Männer herein, deren Gesichter Anzeichen von einer mehr als flüchtigen Bekanntschaft mit der verheerenden Wirkung billigen Whiskeys aufwiesen. Rot geäderte Nasen, gelbe Augen und schlaffe Haut in hageren Gesichtern waren mehr als deutliche Hinweise auf übersteigerten Alkoholgenuss.
Einer der Neuankömmlinge zog den Vorhang beiseite und schrie nach Lyddy. Seine Freunde feuerten ihn
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