Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Wahrheit über seine … Neigungen herausgefunden hätte? Dann wäre ich ebenso ruiniert gewesen.«
»Was du im Übrigen«, erwiderte Jonathan betont langsam, »nicht im wörtlichen Sinne bist, wenn ich dich richtig verstehe.«
»Nein. Er hat mich nicht angefasst. Soweit ich weiß, hatte er das auch gar nicht vor.«
Das war für eine junge Frau, die sich gerade erst verliebt hatte, bestimmt eine bittere Erkenntnis. Erneut wurde Jonathan angesichts ihrer tonlosen Stimme von großer Wut gepackt. »Du hast die Hauptlast getragen.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. Jetzt wirkte sie angespannt, doch Wut lag nicht in ihrem Blick. »Jonathan, denk doch mal nach. Er hätte mir das nie sagen und mich dann noch heiraten können. Ja, mich hat es einige Überwindung gekostet, mir einzugestehen, dass sich mein Leben von Grund auf verändert hat. Aber das war nicht annähernd so viel, wie er auf sich genommen hat, um mir die Wahrheit zu gestehen, bevor es dafür zu spät war. Er hat mir sogar die Wahl gelassen. Ich entschied mich für die Schande, statt mit einem Mann zusammenzuleben, der mich niemals so lieben und begehren konnte, wie ich es erwartet hätte, sondern in mir stets nur eine Freundin sah.«
Er versuchte sich vorzustellen, eine Frau zu heiraten, die seine Aufmerksamkeiten nicht ertrug. Ein Teil seiner Wut verrauchte, denn er verstand ihre Haltung. Trotzdem klang er angespannt. »Er hat trotzdem geheiratet.«
»Das ist eine völlig andere Angelegenheit. Sie hat seinen Titel gewollt.«
»Und das entschuldigt ihn?« Er lenkte Seneca um eine Eiche herum, von der es tropfte.
»Ich weiß es auch nicht.« Lillian kniff den Mund zusammen. »Wie kann ich einen von den beiden verurteilen? Ich weiß nur, dass er damals glaubte, ihr das zu geben, was sie wollte. Ich habe etwas völlig anderes von ihm erwartet. Ich wollte nicht nur Lady Sebring werden. Ich wollte einen Mann an meiner Seite, der mir in romantischer Liebe zugetan war, und er wusste, dass ich am Boden zerstört sein würde, sobald ich die Wahrheit erfuhr.«
Nachdem er nun klarsehen konnte, verstand Jonathan ihre Entscheidung und auch die Beharrlichkeit, mit der sie versuchte, den Namen der Familie nicht wieder ins Gerede kommen zu lassen. Nicht zu vergessen ihre Weigerung, sich wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Sie vertraute den Männern nicht mehr.
Er konnte es ihr nicht verdenken. Erst hatte ihr möglicher Verlobter sie verraten, dann war ihr Vater gestorben und hatte ihre Zukunft in die Hände eines Halbbruders gelegt, den sie kaum kannte und der einen Ozean weit weg wohnte. »Du musst Vater damals die Wahrheit gesagt haben.«
»Ja, das habe ich.« Sie sagte es ganz leise. »Mir blieb keine andere Wahl, denn er bestand darauf, dass ich Arthur heiratete, und ich musste ihm einen Grund für meine Weigerung nennen. Schließlich war er aber meiner Meinung. Ich vermute, das liegt wohl bis zu einem gewissen Grad auch daran, dass er deine Mutter so sehr geliebt hat und in seiner zweiten Ehe mit meiner Mutter so viel weniger Glück hat erfahren dürfen. Sie hat ihn nämlich aus demselben Grund geheiratet, der Arthurs Frau dazu trieb, Lady Sebring zu werden.«
Unglücklicherweise stimmte das sogar, soweit Jonathan es beurteilen konnte. Seine Stiefmutter war eine schöne, weltgewandte Frau gewesen, und sie hatte absolut kein Problem damit gehabt, dass ihr Ehemann so viele Monate in Amerika weilte. Sein Vater hatte nie viel zu dem Thema gesagt, aber Jonathan hatte immer den Eindruck gehabt, dass sein Vater bis auf die drei Töchter, die ihm seine zweite Ehe beschert hatte, diese Heirat bereut hat.
Das war auch schon der springende Punkt. Denn als ihr Vormund oblag es Jonathan, Lillian zu versprechen, dass alles sich zum Guten wenden und sie sich eines Tages leidenschaftlich verlieben würde. Beides lag aber nicht in seiner Macht. Was er allerdings tun konnte, war, ihr zu versprechen, dass er sich so gut wie irgend möglich um ihre Zukunft kümmern würde.
Die Sonne brach erneut durch die Wolken und sandte ihr goldenes Licht auf den Pfad vor ihnen. Die Regentropfen funkelten wie winzige Kristalle in dem getrimmten Gras. Er fragte: »Was genau willst du, Lily? Sag es mir ohne Scheu.«
»Jemanden ohne Geheimnisse«, sagte sie und atmete hörbar aus.
Er lachte, aber es war ein gutmütiges Lachen. »Einen Mann also, der keine Jugendsünden begangen hat und den es nicht störte, wenn diese offenbar würden? Ich fürchte, das ist nahezu unmöglich. Aber
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