Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
es gibt Geheimnisse und Geheimnisse, die das Ausmaß dessen annehmen, was Lord Sebring so sorgfältig verbirgt. Wenn man bedenkt, welche Verantwortung er in seiner Position und mit dem Titel trägt, kann ich verstehen, wenn er danach strebt, dass niemand davon erfährt. Er ist allerdings kaum allein mit seiner Neigung, wie du es nennst. Aber lass mich dir versichern, die meisten Männer sind wirklich nur an Frauen interessiert. Ich verurteile ihn nicht dafür. Offensichtlich schätzt du ihn auch heute noch als einen guten Freund, und er muss dich ebenso schätzen, denn sonst wäre er gestern Abend nicht zu dir gekommen.«
Sie nickte, aber ihre blauen Augen, die denen ihres Vaters so sehr ähnelten, waren gequält. »Seine Frau ist vielleicht unfruchtbar.«
»Aha, ich verstehe. Die englische Nobilität und ihr ständiges Streben nach einer direkten Nachkommenschaft.« Er konnte nicht verhindern, dass er leicht sarkastisch klang. »Ich vermute, seine Begeisterung für die Aufgabe, seine Gattin zu schwängern, war schon zu Anfang nicht besonders groß. Der anhaltende Misserfolg wird vermutlich noch weiter zu seinem Unglück beigetragen haben.«
»Verstehst du denn nicht«, sagte Lillian heftig, »wie froh ich bin, nicht an ihrer Stelle zu sein?«
Natürlich verstand er sie. Seine Vergangenheit mit Caroline war auch alles andere als perfekt gewesen. Was anfangs nur eine leichtfertige Nacht gewesen war, ohne Pläne für eine Zukunft, hatte schließlich zur Geburt eines Kindes geführt. Sobald sie Adela an ihn hatte übergeben lassen, hatte seine ehemalige Geliebte nie mehr nach dem Wohlergehen der gemeinsamen Tochter gefragt. Sie hatte sich einfach nicht mehr gemeldet. Nicht einmal nach dem Namen ihres Kinds hatte sie ihn gefragt.
Was ihn betraf, war ihm das eigentlich egal. Nein, es ging um Addie, die sicher eines Tages nach ihrer Mutter fragen würde. Er war nicht sicher, was er empfand, doch Wut beseelte ihn zumindest um seiner Tochter willen. Er hatte wenigstens zwei liebende Eltern gehabt …
»Ich musste eine unbefriedigende Erfahrung machen, als ich Addies Mutter begegnete«, gab er zu.
»War sie so schlimm wie meine?« Lillian warf ihm einen ironischen Seitenblick zu.
»Die Geschichte ist nicht dieselbe, aber ich würde sagen, man kann sie bis zu einem gewissen Punkt miteinander vergleichen, was die Auswirkungen betrifft.«
Es war eine Erleichterung, endlich die Wahrheit auszusprechen.
Lillian war sich gar nicht einmal sicher, was sie dazu bewogen hatte, sich ihrem Bruder anzuvertrauen. Außer dass sie anfing, ihn zu mögen, wenngleich diese Erkenntnis sie überraschte. Nachdem sie ein Leben lang seine Existenz erfolgreich verdrängt hatte, war es eine seltsam angenehme Vorstellung, zu dem Schluss zu kommen, dass er nicht nur der Erbe aus der Fremde war, nicht nur der geliebte Sohn, der aus einer Liebesehe hervorgegangen war, sondern vielleicht sogar eine Person, der sie nicht nur vertraute, sondern die sie tatsächlich mochte.
Sie hatte außerdem jemanden gebraucht, mit dem sie darüber reden konnte, und daher hatte sie Jonathan gewählt. Das allein war schon Grund genug, ins Nachdenken zu kommen und einige Dinge in ihrem Leben neu zu bewerten. Er verhielt sich ihr gegenüber nicht streng oder zeigte ihr seine Missbilligung. Nein, er ritt einfach neben ihr, und er schien so entspannt im Sattel seines riesigen Pferds zu sitzen, dass man glauben konnte, er sei Teil des Tiers. Das dunkle Haar fiel ihm offen auf die Schultern an diesem feuchten Morgen. Sein Gesicht spiegelte Nachdenklichkeit wider.
»Ich verstehe jetzt, warum du so entschieden hast«, sagte er langsam. Seine schlanken Finger ruhten auf dem Sattelknopf und hielten die Zügel locker. Sein gut ausgebildeter Hengst schien keine Zügelhilfen zu benötigen. »Danke, dass du dich mir anvertraut hast.«
Vor vier Jahren hatte sie beschlossen, keinen Mann außer ihrem Vater in ihrem Leben zu benötigen, damit er ihr die Richtung wies. Nicht, nachdem der Eine, für den sie sich entschieden hatte, es so gründlich vermasselt hatte. Aber irgendwie erfasste sie eine gewisse Erleichterung, weil sie einen Teil ihrer Bürde auf die breiten Schultern ihres Bruders hatte laden dürfen. Lillian beobachtete, wie sich die nassen Blätter in der zarten Brise bewegten, während sie eine Baumgruppe passierten. »Ich bin nicht sicher, warum ich das getan habe. Vielleicht musste ich einfach mit jemandem darüber reden.«
»Du musst nicht so sehr auf deine
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