Verlockung der Nacht
Hübscher«, verkündete ich, Dexters Ohren kraulend, wobei der gründlich mein Handgelenk abschlabberte. Wohlig erschauerte er; es hielt ihn kaum noch auf Tylers Schoß, so sehr fühlte er sich zu mir hingezogen.
»Jetzt hast du einen Freund fürs Leben, Herzchen«, meinte Tyler und packte Dexter fester, um zu verhindern, dass er herunterfiel. »Dann erzählt mal, wie die Spukphänomene aussehen, mit denen ihr es zu tun habt.«
»Wir suchen jemanden, der einen Geist rufen und umbringen kann«, erklärte Bones.
Tyler zog die Brauen hoch, und das Funkeln verschwand aus seinen Augen. »Warum?«, fragte er unverblümt.
Ich zog mein iPad hervor und förderte durch mehrmaliges Tippen den Malleus Maleficarum zutage. Dann hielt ich das Gerät so, dass Tyler den Text sehen konnte.
»Weil das Arschloch, das das hier geschrieben hat, nach seinem Tod wieder aufgetaucht ist«, antwortete ich. »Und er hat eine Möglichkeit gefunden weiterzumorden.«
Mit einer Hand nahm Tyler mein iPad, mit der anderen hielt er weiter den Hund. Irgendwie gelang es ihm, das Gerät mit dem Knie zu stützen und sich durch die Seiten zu scrollen, ohne Dexter dabei herunterzustoßen. Klasse, zwei Spinner , hörte ich Tylers Gedanken, während er einige Textpassagen überflog. Die glauben tatsächlich, bei ihnen zu Hause spukt der Geist eines berüchtigten Hexenjägers!
Bones beugte sich vor und ließ beim Lächeln die Spitzen seiner Reißzähne vorblitzen. »Wir sind nicht verrückt, und dieser Schweinehund spukt auch nicht bei uns.«
Ruckartig hob Tyler den Kopf, sein Gesichtsausdruck änderte sich, als er die spitzen Fänge zwischen Bones’ Zähnen sah und erkannte, dass er den letzten Satz nicht laut ausgesprochen hatte.
»Oh«, machte er schließlich. »Verzeihung. Meine Freunde haben, was euch betrifft, wohl gewisse … Details ausgelassen. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie bekloppt manche Leute sind. Letzte Woche erst war eine Frau bei mir, die überzeugt war, Tupac würde in ihrem Wohnwagen spuken, als wollte der die Ewigkeit in einer nach Katzenpisse stinkenden Pappschachtel verbringen.«
Wieder zuckten meine Lippen, aber Bones ließ sich nicht vom Thema abbringen. »Da unsere geistige Gesundheit jetzt außer Frage steht, könnten wir doch fortfahren.«
Tyler scheuchte Dexter sanft von seinem Schoß. »Daddy muss arbeiten«, erklärte er dem Vierbeiner, der die Störung trotzdem mit einem Jaulen quittierte, bevor er wieder unter dem Schreibtisch verschwand. Man hörte ein lautes Aufatmen, das nach einem Seufzer klang, dann, wie sich der Hund auf etwas Weiches fallen ließ. Verzogener Köter , dachte ich amüsiert, aber das ließ Tyler nur in meiner Achtung steigen. Wer den Stummen und Schwachen wie Tieren und Kindern gegenüber freundlich war, hatte zumeist einen guten Charakter.
»Woher wisst ihr, dass ihr es mit dem Geist Heinrich Kramers zu tun habt und er in der Lage ist, Menschen zu töten?«, erkundigte sich Tyler, jetzt ganz sachlich.
»Geisterinformant«, erklärte Bones.
Tyler nickte, als wäre nichts Ungewöhnliches an dieser Antwort. »Keine anderen Beweise? Geister lügen manchmal.«
Der Blick, den Bones mir zuwarf, sagte mir, dass er das selbst schon in Betracht gezogen hatte. »Wir haben nur das Wort des Gespensts.«
Tyler bedachte uns beide mit einem steten Blick. »Ich kann keinen Geist töten, aber ich kenne ein paar Leute, die vielleicht dazu in der Lage sind. Bevor ich euch ihre Namen gebe und ein gutes Wort für euch einlege, muss ich mich aber vergewissern, dass ich keinen Unschuldigen in die Falle locke.«
Ich bezweifelte, dass Elisabeth sich das alles nur ausgedacht hatte, aber ich war auch schon überzeugend belogen worden. Solange wir die Fakten selbst überprüfen konnten, hatten wir keinen Grund, einer praktisch Fremden blind zu vertrauen, nur weil sie einen netten Eindruck machte und Fabian in sie verschossen war. Ich wechselte einen langen, wortlosen Blick mit Bones. Mit unseren Vampiraugen hätten wir die Informationen aus Tyler herauspressen können, aber Bones’ Emotionen, die ich wie eine leichte Berührung spürte, sagten mir, dass er sich ebenfalls gern selbst ein Bild von dem Geist gemacht hätte, auf den Elisabeth uns angesetzt hatte.
»Wenn du irgendwie sicherstellen kannst, dass wir nicht belogen werden, tu es«, wies ich ihn an.
Tyler stand auf und wischte sich Dexters Haare von der Hose. »Also schön«, sagte er, diesmal wieder ganz heiter. »Zeit, die Toten zu
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