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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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wollte.
    Sofort verstummte das Gespenst mit schreckgeweiteten Augen. Verdammt, ich hatte ihr gerade die Stimme geraubt. Mein »Pst« war wohl, als hätte ich ihr Schweigen geboten.
    »… da die Tür offen ist, können wir versuchen, euren Hexenjäger zu beschwören«, brachte Tyler seinen Satz zu Ende.
    »Beth Ann muss also nicht bleiben?«, erkundigte ich mich mit schlechtem Gewissen, als das Gespenst in dem vergeblichen Versuch zu sprechen mehrmals den Mund auf- und zumachte.
    »Nein. Ich schicke sie fort.«
    »Du darfst wieder sprechen und dorthin zurückkehren, wo du hergekommen bist«, wandte ich mich mit einer entschuldigenden Geste an das Gespenst.
    Es verschwand, allerdings nicht ohne vorher noch ein paar Worte zu fauchen, die mich die Augenbrauen heben ließen. Na ja. Zu Lebzeiten hatte die Gute ein paar deftige Schimpfwörter gelernt, so viel stand fest.
    »Die nach außen hin Zugeknöpften waren immer die Versautesten«, meinte Bones, leise lachend, als er meinen Gesichtsausdruck sah.
    Bei dem Gewerbe, dem er früher nachgegangen war, musste er es ja wissen. Ich schüttelte den Kopf und antwortete mit Ja, als Tyler fragte, ob der Geist fort sei.
    »Okay, kommen wir zum Höhepunkt der Veranstaltung.« Tyler klang begeistert. »Berühre weiter die Planchette, Cat.«
    Wieder legte ich die Fingerspitzen darauf und spürte das pulsierende Pochen, das von ihr ausging. Daher vielleicht die Herzform. Ein Symbol dafür, wie es sich anfühlte, wenn sie aktiviert war.
    »Wie hieß der Hexenjäger noch gleich?«, wollte Tyler wissen.
    »Heinrich Kramer.«
    »Heinriiich Kraaaaaaaaamer«, intonierte Tyler dramatisch. Er ließ sogar den Kopf in den Nacken kippen und schloss die Augen. »Wir rufen dich. Erhöre uns, Heinrich Kramer. Komm zu uns. Wir rufen durch den Schleier den Geist Heinrich Kramers …«
    Dexter stieß einen schrillen Laut aus, der irgendwo zwischen Jaulen und Bellen lag. Tyler verstummte. Ich erstarrte, als ich wieder das Kratzen unsichtbarer Eiszapfen auf meiner Haut spürte. Bones fixierte einen Punkt über meiner rechten Schulter. Langsam drehte ich den Kopf in die Richtung.
    Ich sah nur noch einen Wirbel aus Dunkelheit, dann flog das Ouija-Brett quer durchs Zimmer, und die kleine hölzerne Planchette bohrte sich mit der Spitze voran in Tylers Kehle.

7
    Ich sprang auf und versuchte, Tyler zu fassen zu bekommen, wurde aber zurückgeschleudert, als hätte mich ein Dampfhammer getroffen. Verdutzt brauchte ich einen Augenblick, bis mir klar wurde, dass ich von dem Schreibtisch an die Wand gequetscht wurde, hinter dem sich die dunkle Wolke befand.
    Der Geist hatte das Möbelstück erfolgreich als Waffe gegen mich eingesetzt. Hätte ich die Tischkante nicht schmerzhaft in der Magengegend gespürt, hätte ich es selbst nicht geglaubt.
    Bevor ich mir selbst helfen konnte, schleuderte Bones den Schreibtisch mit solcher Wucht von mir, dass er an der gegenüberliegenden Wand entzweiging. Dexter sprang kläffend durch die Gegend und wollte die anthrazitschwarze Wolke beißen, die gerade dabei war, die Gestalt eines großgewachsenen Mannes anzunehmen. Tyler gab einen entsetzlich gurgelnden Laut von sich und hielt sich die Kehle. Blut drang zwischen seinen Fingern hervor.
    »Bones, kümmere dich um ihn! Ich knöpfe mir das Arschloch vor.«
    Dexters Bellen übertönte die Laute, die Tyler ausstieß, als Bones sich mit den Fängen die Handfläche aufschlitzte, sie Tyler auf den Mund presste und gleichzeitig die Planchette aus seiner Kehle zog.
    Schreibtischsplitter verwandelten sich urplötzlich in Geschosse, die auf uns einhagelten. Bones wirbelte herum, um Tyler abzuschirmen, während ich mich schützend über den Hund warf. Ein jämmerliches Aufjaulen zeigte mir, dass mindestens eins der Geschosse Dexter getroffen hatte, bevor ich bei ihm war. Tylers Gurgeln ging in ein krampfhaftes Husten über.
    »Junge, jetzt hast du einen richtig großen Fehler gemacht«, fauchte ich und schnappte mir ein Stück des demolierten Schreibtisches. Dann stand ich auf, aber so, dass ich den Hund weiter vor etwaigen Geschossen des Geistes schützen konnte. Der hatte sich inzwischen so weit materialisiert, dass ich ein zerfurchtes Gesicht umgeben von wirbelndem weißem Haar ausmachen konnte. Kramer war bei seinem Tod nicht mehr jung gewesen, doch sein Rücken unter der dunklen Tunika war nicht vom Alter gebeugt. Arrogant und breitschultrig stand er da, und in dem bohrenden Blick seiner grünen Augen lag nichts als

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