Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
Vom Netzwerk:
ihm nach, wobei mir auffiel, dass ich mir mal wieder die Nägel machen musste, aber eine Maniküre hatte auf meiner Prioritätenliste ganz unten gestanden. Obwohl ich keinen Druck ausübte, zuckte die Planchette unter meiner leichten Berührung, sodass Tyler die Brauen hochzog.
    »Hast ganz schön Power, hmm?«
    Den Grund dafür wollte ich ihm nicht nennen, also zuckte ich nur die Schultern. Tyler wandte sich mit ein paar formelhaften Wendungen an alle Geister im Umfeld. Knisternde Energie erfüllte die Luft, als die Planchette sich in unregelmäßigen Kreisen auf dem Brett zu bewegen begann, angetrieben von etwas anderem als unserer Berührung. Bones lehnte sich zurück und beobachtete uns mit zusammengekniffenen Augen. Sein Blick ging zwischen dem Brett und dem übrigen Zimmer hin und her.
    Ein langgezogener, wimmernder Laut ließ mich zusammenfahren, bevor ich erkannte, dass er von dem Hund unter dem Tisch kam. Man hätte meinen sollen, dass mich eine Séance nicht aus der Fassung bringen konnte, da ich ja mit einem Geist im Haus und einer ganzen Horde darum herum lebte, aber so war es. Vielleicht weil ich das Gefühl hatte, ich würde irgendwo eindringen, wo ich nicht hingehörte, statt einfach nur von ungewöhnlichen Freunden und Besuchern umgeben zu sein.
    »Muss Dexter mal raus?«, murmelte ich, als das Gejaule zu einem lauten Bellen anschwoll.
    »Nein.« Tylers Stimme klang jetzt gepresster. »Tiere spüren das Übersinnliche stärker als die meisten Menschen. Da kommt jemand.«
    Kaum hatte er das gesagt, spürte ich eine Veränderung in der Atmosphäre, als wäre plötzlich die Tür eines Gefrierschranks aufgesprungen. Eisige Nadeln fuhren mir über die Haut, prickelnd vor unirdischer Macht. Da kam niemand – er oder sie war schon da .
    Die Planchette kreiste auf dem Brett, während eine undeutliche Gestalt hinter Tyler auftauchte. Tyler schauderte.
    »Ich glaube, jetzt ist jemand anwesend«, flüsterte er. Dann lauter: »Wer bist du? Sage uns deinen Namen.«
    »Beth Ann«, antwortete die neblige Gestalt, während die Planchette über die Buchstaben » B « und » E « sauste.
    »Da ist definitiv jemand«, hauchte Tyler, als der Buchstabe » H « dran war.
    »Sie steht direkt hinter dir«, antwortete Bones.
    Tyler fuhr auf seinem Stuhl herum, das Gesicht auf Höhe des Rumpfes der Geisterfrau. Das hochgeschlossene Kleid mit dem langen, weiten Rockteil ließ darauf schließen, dass sie nicht erst kürzlich verstorben war. So etwas war seit gut über einem Jahrhundert aus der Mode.
    »Ich sehe noch nichts«, wunderte er sich.
    »Wirklich?«, fragte ich überrascht. Die Gespensterdame war so gut sichtbar, dass man sogar ihre leicht pockennarbige Haut und das grau melierte Haar erkennen konnte.
    »Sterbliche brauchen länger, um uns sehen zu können, selbst wenn sie medial veranlagt sind«, antwortete Beth Ann, die zwischen Bones und mir hin- und hersah. »Ganz im Gegensatz zu eures gleichen.«
    Die Verachtung, die sie für Vampire empfand, kam in ihren Worten deutlich zum Ausdruck. Die meisten Geister, die es zu mir hinzog, schienen sich nicht daran zu stören, dass ich ein Blutsauger war, diese Lady offenbar schon.
    »Hey, entschuldige, wenn wir dich belästigt haben, aber du musst ja nicht gleich pampig werden.«
    »Hat sie dir gesagt, wie sie heißt?«, fragte Tyler leise.
    »Ja. Beth Ann, und sie ist etwas mürrisch.«
    Tyler beugte sich vor, wie um besser sehen zu können. Dadurch geriet sein Gesicht direkt in Beth Anns Intimgegend. Empört fuhr sie zurück, während ich mir das Lachen verkneifen musste. Er konnte sie offenbar noch immer nicht sehen.
    »Verkommenes Subjekt!«, fauchte das Gespenst.
    »Beth Ann, gib uns ein Zeichen deiner Anwesenheit«, forderte Tyler gebieterisch, da er von alledem nichts mitbekommen hatte.
    Die Geisterdame verpasste ihm eine Ohrfeige, wobei ihre Hand direkt durch ihn hindurchfuhr. Tyler runzelte die Stirn.
    »Gerade habe ich einen kalten Hauch gespürt. Hat sie etwas gemacht?«
    »Sie hat dir ein Zeichen ihrer Anwesenheit gegeben«, antwortete Bones mit zuckenden Lippen.
    »Für gewöhnlich dauert es länger, bis jemand erscheint und mit uns interagiert«, meinte Tyler nachdenklich. Er sah mich an. »Es muss an dir liegen.«
    Wenn der wüsste. »Okay, was nun?«
    Tylers Antwort wurde von Beth Anns lauter, empörter Stimme übertönt. »Wenn ihr glaubt, ich würde für solch widerliches Gesindel wie euch etwas tun …«
    »Pst«, machte ich, weil ich Tyler verstehen

Weitere Kostenlose Bücher