Verlockung der Nacht
genau wie alle anderen würden wir sie eine nach der anderen meistern. Im Augenblick stand Kramer an erster Stelle, und trotz all der Probleme, die dieser Widerling von einem Geist uns machte, gab es auch Positives. Kramer war zwar in der Lage, Menschen zu terrorisieren und zu verletzen, aber in mir würde er eine würdige Gegnerin finden. Ich bekam es nicht so schnell mit der Angst zu tun, und im Kampf hatte ein Gespenst gegen einen Vampir keine Chance. Bis Halloween konnte Kramer ja nicht einmal einen Boxhieb austeilen, und wir würden ihm schon viel früher das Handwerk legen. Meine Laune besserte sich immer mehr.
»Bestimmt hat das Medium tolle Nachrichten für uns«, fügte ich mit etwas heiserer Stimme hinzu, als Bones’ Zunge ganz sacht zwischen meine Finger fuhr.
Elisabeth hatte gesagt, bisher wäre kein Medium in der Lage gewesen, etwas gegen Kramer auszurichten, aber sie hatte auch nur ein paar dazu bringen können, es zu versuchen, und das letzte Mal lag mehr als fünfzig Jahre zurück. Bones’ bester Freund Spade kannte ein paar namhafte Dämonologen, die uns ein Medium empfohlen hatten, zu dem wir jetzt unterwegs waren, und das mit etwas Glück erfolgreicher sein würde als seine Vorgänger. Falls nicht, hatten wir noch ein paar andere Asse im Ärmel. Was auch gut so war, denn bis Oktober war es nicht mehr lange hin.
Ein Umstand sprach immerhin für uns. Als Geist konnte Elisabeth große Entfernungen nur überbrücken, indem sie sich ganz traditionell von einem Auto mitnehmen ließ oder eine Ley-Linie, eine Art übernatürlichen Schnellzug, benutzte. Ley-Linien führten für gewöhnlich zu verschiedenen übersinnlichen Hotspots, an denen sie auf ihrer Suche nach Kramer jeweils eine kurze Rast einlegen musste. War ich dann erst bis auf einen Umkreis von hundertfünzig Kilometern an Kramer herangekommen, konnte ich die geborgte Macht, die noch in meinem Blut zirkulierte, dazu benutzen, Kramer anzulocken. Dann würde ich ihm befehlen, sich nicht von der Stelle zu rühren, bis wir ihn gebannt hatten. Eine Nebenwirkung des Blutes der Voodoo-Königin – abgesehen von der, die mich zum Gespenstermagneten machte – war die, Geister ihres freien Willens berauben zu können, und das war mir immer zuwider gewesen. Jetzt allerdings kam mir diese Fähigkeit gerade recht. Sie auf Geister anzuwenden, die es einfach zu mir hingezogen hatte, war mir unangenehm, aber bei einem Widerling wie Kramer würde ich sie mit einem Lächeln im Gesicht einsetzen. Und einem ausgesprochen hexenhaften Kichern noch dazu.
Was seinen Komplizen betraf, na ja, Menschen waren so leicht auszuschalten, dass es gar keinen Spaß machte, sich mit dem Thema zu befassen.
»Wir sind da«, verkündete Bones und ließ meine Hand los, um den Wagen auf den Parkplatz eines Einkaufszentrums zu lenken.
Ich warf einen Blick durchs Fenster, um auf den Ladenschildern in dem L -förmigen Komplex irgendwelche Namen mit Bezug zum Jenseits zu erspähen. Am ehesten kam noch Deenas Himmlischer Käsekuchen in Frage, aber ich hatte so meine Zweifel, ob das die richtige Adresse war.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
Bones zeigte mit dem Finger auf ein Geschäft. »Der Garten der Schönen Helena ist direkt dort drüben.«
»Aber das ist ein Blumenladen«, stellte ich fest, als könnte er das nicht selbst sehen.
Bones stellte den Wagen ab und antwortete: »Vielleicht redet unser Medium ja genauso gern mit Blumen wie mit Geistern.«
Dass ein Medium einem ganz normalen Beruf nachging, hätte mich nicht überraschen sollen, aber das tat es. Was soll’s , dachte ich dann. Vor einigen Jahren hatte ich schließlich selbst tagsüber das College besucht und nachts Vampire gejagt. Dass jemand Verbindungen zum Paranormalen hatte, hieß schließlich nicht, dass sein ganzes Leben davon beeinflusst sein musste.
Als ich aus dem Auto stieg, bestürmte ein Chor aus Stimmen meinen Verstand so abrupt, als hätte man einen Schalter umgelegt. Ich fuhr mir mit der Hand an den Kopf, eine instinktive und doch völlig nutzlose Geste, die mich vor dem plötzlichen Lärm schützen sollte.
»Ach Mist«, murrte ich. »Warte mal kurz.«
Ohne zu fragen, was mir fehlte, trat Bones zu mir. Er hatte diese Reaktion schon oft genug an mir beobachten können und wusste, was los war. Sein Blick ging zwischen mir und dem Parkplatz hin und her, während seiner Aura bedrohlich geballte Energie entströmte – eine Warnung an jeden Pulslosen in der Umgebung, dass es keine gute
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